Leonora, a post-reproductive female of the Ngogo community of chimpanzees in Kibale National Park, Uganda
Kevin Langergraber, Arizona State University
Kevin Langergraber, Arizona State University
Studie

Auch Schimpansen kommen in Wechseljahre

Die meisten Säugetierweibchen bleiben ein Leben lang fruchtbar, nur von manchen Walen weiß man, dass sie wie Frauen ihre Fruchtbarkeit mit fortschreitendem Alter verlieren. Daten aus Uganda zeigen nun erstmals, dass auch frei lebende Schimpansen Wechseljahre erleben. Das stellt gängige Hypothesen zur Entwicklung und Funktion der Menopause bei Menschen infrage.

Bei den meisten Säugetieren gehen Expertinnen und Experten davon aus, dass sie unter natürlichen Umständen fast bis zu ihrem Lebensende fruchtbar sind und Nachwuchs gebären. Ausnahmen gibt es nur wenige – Menopausen und das damit einhergehende verfrühte Ende der Fruchtbarkeit ab einem bestimmten Lebensabschnitt wurden bisher nur bei Menschen und bestimmten Zahnwalarten, etwa bei Orcas, in ihrer natürlichen Umgebung nachgewiesen.

Ein internationales Forschungsteam um den US-amerikanischen Anthropologen Brian Wood konnte die Liste der Säugetiere mit Menopause nun aber erweitern. Die Expertinnen und Experten fanden in einer Schimpansengruppe im Kibale-Nationalpark in Uganda klare Anzeichen dafür, dass die Primaten den Menschen auch bei ihrer Fortpflanzungsfähigkeit stark ähneln.

Gut erforschte Primatengruppe

Dass die Wahl des Forschungsteams auf die Schimpansen in Uganda fiel, hatte mehrere Gründe. Wichtig für die Untersuchung war unter anderem die Anzahl der potenziell fruchtbaren Gruppenmitglieder. „Im Nationalpark gibt es viele junge, aber auch besonders viele ältere Weibchen – und das bei und wahrscheinlich sogar aufgrund der bisher minimalen menschlichen Einflüsse von außen“, erklärt Tobias Deschner von der Universität Osnabrück und dem Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig gegenüber science.ORF.at. Der Verhaltensbiologe war Teil des internationalen Forschungsteams, das die Erkenntnisse aus Uganda derzeit im Fachjournal „Science“ präsentiert.

Ma Rainey, a post-reproductive female of the Ngogo community of chimpanzees in Kibale National Park, Uganda, and her adult son Wes.
Kevin Langergraber, Arizona State University
Die postmenopausale Ma Rainey (rechts) mit ihrem erwachsenen Sohn Wes (links) im Kibale-Nationalpark

Ein weiterer Grund: Die Schimpansen im Kibale-Nationalpark sind bereits seit 1987 Teil einer Langzeitstudie, des Kibale-Chimpanzee-Project, in dem seitdem umfangreiche Daten über das Leben und Verhalten der Primaten gesammelt werden. „Je länger so ein Projekt besteht und je länger man Informationen von denselben Schimpansenpopulationen sammeln kann, desto wertvoller werden auch die Daten, die wir daraus gewinnen“, so Deschner.

Schimpansen in den Wechseljahren

Anhand der Daten aus der Langzeitstudie über das Verhalten und die Gruppenzusammensetzung der Schimpansen konnte das Team berechnen, dass die Weibchen im Durchschnitt zwanzig Prozent ihres Erwachsenenlebens in einem postmenopausalen Zustand leben, in dem sie sich nicht mehr fortpflanzen können.

Das Forschungsteam nutzte außerdem Urinproben von insgesamt 66 Schimpansenweibchen, um die Erkenntnisse auch auf hormoneller Ebene zu analysieren. Es zeigte sich, dass sich die Zusammensetzung der Hormone – ähnlich wie bei Menschen – ab einem gewissen Alter stark verändert. „Nach dem Einsetzen der Menopause sind im Urin die Spiegel von Östrogen und Progesteron sehr stark und über einen recht kurzen Zeitraum hinweg nach unten gesunken“, erklärt Deschner, der sich an der internationalen Kooperation vor allem durch die Analyse der Urinproben beteiligte. Andere Hormonspiegel, etwa von bestimmten Gonadotropinen, stiegen wiederum deutlich an. Die bei den Primaten beobachteten Muster waren dabei dieselben wie bei Menschen, so Deschner.

Garbo, a post-reproductive female of the Ngogo community of chimpanzees in Kibale National Park, Uganda.
Kevin Langergraber, Arizona State University
Garbo, ein postmenopausales Schimpansenweibchen im Kibale-Nationalpark

Auch das Alter, in dem es zu den hormonellen Veränderungen kommt, ist ähnlich. „Eigentlich hatten wir angenommen, dass die Menopause bei den Affen früher einsetzt, da sie generell auch eine etwas kürzere Lebenserwartung haben. Das war aber nicht der Fall, die Menopause setzt auch bei den Schimpansen ungefähr mit 50 Jahren ein“, erklärt der Verhaltensbiologe.

Natürliche Umgebung unabdingbar

Die Daten aus Uganda sind jedoch nicht die ersten Hinweise darauf, dass Schimpansenweibchen mit fortschreitendem Alter ihre Fruchtbarkeit verlieren. „Bei Tieren in Gefangenschaft, etwa in Zoos, hat man das schon oft beobachtet“, erklärt der Verhaltensbiologe.

Laut Deschner sagt die Entwicklung von Schimpansen in Gefangenschaft aber nur wenig über das Leben und Verhalten ihrer Artgenossen in freier Wildbahn aus. Die Unfruchtbarkeit der Zootiere könnte immerhin auch andere, vom Umfeld oder dem Lebensstil hervorgerufene Gründe haben. „Vor allem, wenn es darum geht, nach den genauen Funktionen und Ursachen der Menopause zu suchen, muss man das in der natürlichen Umgebung der Schimpansen tun“, sagt Deschner. Dem internationalen Forschungsteam sei das nun mit den Daten aus Uganda erstmals gelungen.

Großmütter unterstützen Töchter kaum

Die genauen Funktionen und Ursachen der Menopause bei den Primaten zu bestimmen ist laut dem Verhaltensbiologen jedoch alles andere als einfach. Um wirklich konkrete Aussagen darüber treffen zu können, seien noch etliche weitere Langzeituntersuchungen anderer Schimpansenpopulationen nötig. Dennoch stellen die neuen Erkenntnisse laut Deschner auch eine gängige Hypothese infrage, warum Menschen den Prozess der Menopause durchlaufen – die „Großmutterhypothese“.

Dabei handelt es sich um die Annahme, dass sich die Menopause aufgrund des engen familiären Zusammenhalts unter weiblichen Gruppenmitgliedern entwickelte. „Wenn es sich für mich eher lohnt, meine Tochter bei der Aufzucht ihrer Nachkommen zu unterstützen, dann kann ich meine eigene Reproduktion irgendwann einstellen und damit letztendlich mehr mit mir verwandte Nachkommen in die Welt setzen, als wenn ich mich selbst fortpflanze“, erklärt Deschner.

Marlene, a post-reproductive female of the Ngogo community of chimpanzees in Kibale National Park, Uganda.
Kevin Langergraber, Arizona State University
Marlene, ein postmenopausales Schimpansenweibchen im Kibale-Nationalpark

Bei den postmenopausalen Schimpansen in Uganda beobachtete das Forschungsteam dieses unterstützende Verhalten jedoch nicht. Laut Deschner ist es daher auch fraglich, wie sehr die „Großmutterhypothese“ bei Menschen zutrifft. „Wenn wir und unsere nächsten Verwandten eine Menopause haben, ist es auch sehr wahrscheinlich, dass unser gemeinsamer Vorfahre eine Menopause hatte. Wir müssen uns jetzt daher zumindest fragen, wie denn der ursprüngliche Zustand bei Menschen war“, so Deschner.

Zeitliche Anpassung möglich

Eine weitere Hypothese rund um die Menopause bei Säugetieren geht davon aus, dass auf diese Weise zu enge Verwandtschaftsverhältnisse bei der Reproduktion innerhalb der Gruppe vermieden werden. So könnte das altersbedingte Ende der Fruchtbarkeit in großen Gemeinschaften dabei helfen, Inzucht zu vermeiden.

Laut Deschner scheint es derzeit wahrscheinlicher, dass diese Erklärung für die Menopause der Schimpansen verantwortlich ist. Das bedeute aber nicht, dass die „Großmutterhypothese“ bei Menschen gar keine Rolle spielt. Es sei durchaus möglich, dass sich die Menopause bei Menschen anfänglich aufgrund der Verwandtschaftsverhältnisse entwickelt hat, sich ihre Funktion im Laufe der Zeit aber an die veränderten Lebensbedingungen der Menschen anpassen konnte und sich weiter in Richtung der „Großmutterhypothese“ entwickelte.

Um das genauer zu klären, seien weitere umfangreiche Langzeituntersuchungen wie jene in Uganda unabdingbar. „Es gibt noch so viele Dinge, von denen wir annehmen, dass sie uns Menschen zu etwas Besonderem machen, bei denen es aber durchaus auch sein könnte, dass sich unsere Verwandten und Vorfahren gleich verhalten haben“, so Deschner. „Ich bin mir sicher, dass hier in Zukunft noch einige Überraschungen auf uns warten.“