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Studio Romantic – stock.adobe.com
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Studie

Sitzen schadet Herzgesundheit

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weltweit die häufigste Todesursache. Alleine durch die Änderung der Körperhaltung kann man aber vorbeugen, wie eine aktuelle Studie zeigt. Denn nicht nur Bewegung, auch Stehen und sogar Schlafen ist laut dem Forschungsteam des University College London (UCL) sinnvoll – die Hauptsache ist, man sitzt nicht.

Erkrankungen des Herzens und der Blutgefäße reichen von Bluthochdruck und Arteriosklerose über Herzschwäche, koronare Herzerkrankungen und Herzrhythmusstörungen bis hin zum Herzinfarkt. Die Zahl der Menschen, die darunter leiden, hat sich in den vergangenen 25 Jahren weltweit verdoppelt. Im Jahr 2021 waren kardiovaskuläre Krankheiten bereits für jeden dritten Todesfall verantwortlich.

In der aktuellen Studie untersuchten Forscherinnen und Forscher des University College London (UCL) Daten von mehr als 15.000 Personen aus fünf Ländern, um herauszufinden, wie das Bewegungsverhalten mit der Herzgesundheit zusammenhängt. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer trugen dazu ein Gerät am Oberschenkel, mit dem ihre Aktivitäten während eines 24-Stunden-Tages und auch verschiedene Werte wie etwa der Blutdruck gemessen wurden.

Anhand dieser Daten erstellte das Forschungsteam eine Rangliste der typischen Aktivitäten während eines Tages. Ganz oben: mäßig anstrengende bis anstrengende Bewegung, etwa Laufen, Stiegen steigen oder ein flotter Spaziergang. Diese hat den größten Nutzen für Herz und Kreislauf. Auf Platz zwei folgt leichte Bewegung, wie ein entspannter Spaziergang, dann Stehen und danach Liegen, also auch Schlafen. Sitzen an letzter Stelle habe ihm Vergleich zu den anderen Tätigkeiten negative Auswirkungen auf die Herzgesundheit, so das Team um Erstautorin Jo Blodgett vom UCL.

BMI und Taillenumfang verringern sich

Als nächstes berechneten die Forscherinnen und Forscher verschiedene Szenarien, die zeigen, was passieren würde, wenn eine Person eine Woche lang jeden Tag eine Aktivität durch eine andere ersetzt – also etwa fünf Minuten Sitzen durch fünf Minuten Gehen. Dabei zeigte sich: Bereits diese fünf Minuten am Tag, in denen eine Person flott spazieren geht, anstatt zu sitzen, wirken sich spürbar positiv auf die Herzgesundheit aus.

Bei einer 54-jährigen Frau mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 26,5 führte eine halbe Stunde mäßig anstrengende Bewegung am Tag zu einer Verringerung des BMI um 2,4 Prozent. Oder: Zu einer Verringerung des Taillenumfangs um 2,5 Zentimeter. Oder: Zu einer Verringerung des HbA1c-Wertes um 3,6 Prozent. Dieser Wert gibt den Zuckergehalt im Blut an.

Erhöhte Herzfrequenz, beschleunigter Atem

„Die wichtigste Erkenntnis aus unserer Studie ist, dass sich schon kleine Veränderungen in der Art und Weise, wie man sich bewegt, positiv auf die Herzgesundheit auswirken“, so Blodgett in einer Aussendung des UCL. Weil auch die Intensität der Bewegung eine große Rolle spiele, sei zwar Sport statt Sitzen am nützlichsten, aber: „Im Grunde ist jede Aktivität, die die Herzfrequenz erhöht und den Atem beschleunigt sinnvoll – selbst für nur ein oder zwei Minuten.“

Intensive Bewegung sei „der schnellste Weg zur Verbesserung der Herzgesundheit“, doch auch mit weniger Zeit und Möglichkeiten könne man schon etwas verbessern. Am Schreibtisch zu stehen anstatt zu sitzen, sei beispielsweise eine Veränderung, die relativ einfach dauerhaft in den täglichen Arbeitsalltag eingebaut werden könne – sofern ein höhenverstellbarer Tisch vorhanden ist. Am meisten von diesen geringen Veränderungen profitieren übrigens diejenigen, die bisher am wenigsten aktiv waren.

Erstmals 24-Stunden-Zeitraum beobachtet

„Es mag zwar nicht überraschen, dass mehr Bewegung förderlich für die Herzgesundheit ist, das Neue an dieser Studie ist aber, dass sie eine Reihe von Verhaltensweisen über einen gesamten 24-Stunden-Tag hinweg berücksichtigt“, so Mark Hamer vom UCL, einer der Hauptautoren der Studie. Dieser Ansatz ermögliche individuell auf einzelne Patienten und Patientinnen abgestimmte Empfehlungen. Durch den Einsatz der tragbaren Geräte konnten zudem die Auswirkungen selbst geringfügiger Veränderungen im Tagesablauf genau gemessen werden, heißt es in der Studie, die nun im „European Heart Journal“ veröffentlicht wurde. Weitere Langzeitstudien seien aber notwendig, um die kausalen Zusammenhänge zwischen Bewegung und Herz und Kreislauf besser zu verstehen.

Aktivitäten „wie Snacks“ in den Tag einbauen

Die Untersuchung zeige, dass kleine Anpassungen des Tagesablaufs das Risiko eines Herzinfarkts und Schlaganfalls senken können, so James Leiper, stellvertretender medizinischer Direktor von der British Heart Foundation (BHF), von der die Studie unterstützt wurde. Ersetzt man nur wenige Minuten Sitzen durch moderate Bewegung, bringe das schon viele gesundheitliche Vorteile, wie einen verringerten BMI und weniger Bauchfett.

„Alles, was die Herzfrequenz erhöht, kann helfen“, so Leiper, und gerade weil es nicht immer und für jeden einfach sei, aktiv zu werden, seien Veränderungen wichtig, die man langfristig beibehalten kann und die Spaß machen. Er empfiehlt Aktivitäten „wie Snacks“ in den Tagesablauf einzubauen. So könne man sich etwa angewöhnen, während des Telefonierens immer aufzustehen; oder sich einen Wecker zu stellen und einmal pro Stunde ein paar Hampelmänner zu machen.