Sklavenameise (Formica fusca) auf einem Blatt
Tomas/stock.adobe.com
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Pilzinfektion

Ameisen heilen sich mit Blattlausdiät

Ameisen haben eine Strategie entwickelt, wie sie Pilzinfektionen in den Griff bekommen. Wenn sich die in heimischen Wäldern lebenden grauschwarzen Sklavenameisen infiziert haben, ernähren sie sich laut einer neuen Studie verstärkt von Sekreten von Blattläusen. Ist die akute Infektion überwunden, kehren sie zur herkömmlichen Nahrung zurück.

Ameisen kommen fast überall auf der Erde vor, obwohl die Gesundheit ihrer Kolonien von einer Vielzahl von Krankheitserregern bedroht wird. Sie haben aber interessante Wege der Immunabwehr entwickelt, um mit der Bedrohung fertig zu werden. Jason Rissansen vom Institut für Biologie der Universität Graz hat einen gemeinsam mit Kollegen aus Finnland, der Niederlande und Deutschland untersucht und die Studienergebnisse in der aktuellen Ausgabe des „Journal of Biology Letters“ veröffentlicht.

Ameisen und Blattläuse treten häufig gemeinsam auf. Die Ameisen haben es dabei auf die Ausscheidungsprodukte der Läuse abgesehen, die neben Kohlenhydraten auch wertvolle Aminosäuren enthalten. Und Pflanzen, die durch Blattläuse gestresst sind, produzieren sauerstoffhaltige Moleküle mit sehr großer chemischer Reaktionsbereitschaft (ROS) – Wasserstoffperoxid beispielsweise. Diese flüssige Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff (H2O2) wird in vielen Haushalten u. a. als Desinfektions- und Bleichmittel eingesetzt. Über den Honigtau der Blattläuse dürften die freien Sauerstoffradikale wohl auch in den Organismus der Ameisen gelangen.

Desinfizierende Wirkung

„Wir konnten erkennen, dass die Ameisen, die einem Pilzpathogen ausgesetzt waren, ihre Ernährung umstellten, die stärker mit Blattläusen angereichert war“, fasste Rissansen, die jüngste Studie zusammen. Für die Studie wurde den von einem Pilz befallenen Ameisen Nahrung in drei unterschiedlichen Blattlaus-Konzentrationen angeboten. Wenn sie infiziert waren, ernährten sie sich während der akuten Phase der Infektion vom Futter mit einem höheren Anteil zerkleinerter Läuse. Das Wasserstoffperoxid, das in den winzigen Tierchen enthalten ist und desinfizierend wirkt, könnte bei der Bekämpfung der Erkrankung eine Rolle spielen. „Die Sterblichkeitsrate unter den erkrankten Ameisen wurde dank der geänderten Zusammensetzung deutlich reduziert“, hielt Rissanen fest.

„Waren die Insekten nach ein paar Tagen wieder gesund, setzten sie die Blattlaus-Diät von sich aus wieder ab“, ergänzte die Grazer Zoologin Dalial Freitak. Die assoziierte Professorin am Institut für Biologie und zugleich an der Tvärminne Zoological Station der University of Helsinki im finnischen Hanko ist spezialisiert auf Insektenphysiologie und Mechanismen der Immunabwehr bei Insekten.

Die Autoren und Autorinnen sprachen auch die Bedeutung der Artenvielfalt als Teil eines komplexen Systems von Ernährung und Selbstmedikation an: Die Entdeckung von natürlichen Arzneimittelquellen und wie Tiere eine Diät verwenden, um Immunreaktionen auszugleichen oder direkt zu bekämpfen, helfe zu verstehen, wie gesunde und vielfältige Ökosysteme den Tieren Vorteile gegen die allgegenwärtige Bedrohung durch Krankheiten bieten.