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Dionisvera – stock.adobe.com
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19. Jahrhundert

Als Österreichs Küche „exotisch“ wurde

Bei typisch österreichischer Küche denken die meisten an Schnitzel und Mehlspeisen. Im 1897 erschienenen Kochbuch „Die österreichische Küche“ finden sich aber auch indische, karibische und andere „exotische“ Einflüsse – ein Ausdruck der „kosmopolitischen, österreichischen Identität“ der damaligen Oberschicht, wie ein Forschungsprojekt zeigt.

Im Kochbuch „Die österreichische Küche“ der Wienerin Marie von Rokitansky gab es nicht einfach Stockfisch – sondern Stockfisch „auf indische Art“: Zuerst zwar in Ei und Brösel paniert und in Schmalz gebacken, dann aber in Currysauce gereicht und mit Zitronenscheiben garniert. Rokitansky scheint überhaupt Curryfan gewesen zu sein – in ihrem Kochbuch finden sich auch Curryhuhn und Mayonnaise mit Curry, außerdem chinesischen Kohl und „Froschkeulen auf amerikanische Art“.

„Die österreichische Küche“ war ein Verkaufsschlager, das Buch erschien seit 1897 in vierzehn Auflagen. Für Amy Millet, Historikerin von der Kansas University in den USA, war das Buch der Anfang ihres Forschungsprojekts über Essen und Identität.

Buchhinweis

Marie von Rokitansky, „Die Österreichische Küche“
Wienbibliothek

Die Wienbibliothek stellt „Die österreichische Küche“ in digitalisierter Form zur Verfügung.

Weltgewandt statt heimatverbunden

„In dem Buch gibt es viele Zutaten und Rezepte, die nicht aus Österreich kommen. Und ich habe mich gefragt, wie das typisch österreichisch sein kann und was für eine Bedeutung das Essen für die Kultur in dieser Zeit hatte“, so Millet im Interview mit science.ORF.at. In ihrem von der Gerda-Henkel-Stiftung geförderten Dissertationsprojekt sieht sich die Wissenschaftlerin an, wie kulturelle Identität durch Essen zum Ausdruck gebracht wird.

Marie von Rokitansky war eine Dame der Oberschicht und an diese richtete sich auch ihr Kochbuch. Ihre österreichische Identität war kosmopolitisch ausgerichtet, so Millet: „Ich glaube, Österreich war für sie weniger ein Ort und mehr ein Lebensstil“. Österreicherin zu sein, bedeutete für Rokitanksy auch, dass sie sich für ihre Zutaten in der ganzen Welt bedienen konnte, denn über Handelsstädte wie Triest gelangten exotische Gewürze und Waren ins damalige Habsburgerreich – auch ohne eigene Überseekolonien.

Die wohlhabenden Österreicherinnen und Österreicher konsumierten längst Güter aus den Kolonien anderer Reiche, verhielten sich also immer noch imperialistisch. Außerdem hatte Österreich viele Kontakte in Kolonialländer – durch Handelsbeziehungen, wissenschaftliche Projekte und Forschungsreisende.

Blick nach Indien und in die Karibik

Marie von Rokitanskys „Die österreichische Küche“ zeuge von „einem österreichischen Selbstverständnis an der Wende zum 20. Jahrhundert, das nicht an nationalistische Ideen oder die imperialen Grenzen des Habsburgerreiches gebunden war“, so Millet. Das Kochbuch habe nichts mit dem Nationalismus zu tun gehabt, wie er zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkam.

Dass Rokitansky über den Tellerrand schaute, zeigt auch die Gewürzkunde im Vorwort des Buches. Dort erklärt sie Gewürze und Kräuter, die aus Indien und der Karibik stammen, wie „indisches Gewürzpulver“, also Curry, Ingwer, Kardamom und Vanille. Sie beschreibt woher diese genau kommen, wie man sie benutzt und wie sie schmecken. Unter ihren rund 500 Rezepten finden sich aber auch die typischen Mehlspeisen, Schnitzel, und Rezepte für Zimtkekse, Dattelstangen und Schokoladenkonfekt, die in Österreich ohnehin längst weihnachtliches Kulturgut sind.