Ein Bauer arbeitet in einem Apfelbaumhain
AFP – FRANCOIS LO PRESTI
AFP – FRANCOIS LO PRESTI
Klimaziele

„Äpfel nicht mit Birnen vergleichen“

Die Nutzung von Böden – ob für Landwirtschaft, Industrie oder Wälder – trägt stark zur Bilanz von Treibhausgasen bei. Der Weltklimarat (IPCC) und einzelne Länder berechnen diese Bilanz aber unterschiedlich, berichten Forscher. Ihre Befürchtung: Wenn man weiter „Äpfel mit Birnen“ vergleicht, werden die Klimaziele verfehlt.

Die Treibhausgasbilanzen der Landnutzung beruhen auf dem Verhältnis von Kohlenstoffeinlagerung und -freisetzung auf verschiedenen Flächen. So wird zwischen vom Menschen bewirtschafteten und nicht genutzten Flächen unterschieden. Allerdings gibt es hier Unterschiede in der Betrachtungsweise zwischen wissenschaftlichen Modellen des IPCC und den Treibhausgasinventaren vieler Staaten, berichtet ein Team um Matthew Gidden und Thomas Gasser vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien im Fachmagazin „Nature“.

Zehn Prozent der jährlichen Treibhausgasemissionen

Insgesamt gesehen ist die Differenz beträchtlich: Demnach klafft zwischen der wissenschaftlichen Betrachtungsweise, an die sich der IPCC hält, und den Treibhausgasbilanzen der Länder eine Lücke zwischen vier und sieben Gigatonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht immerhin rund zehn Prozent der aktuellen jährlichen Treibhausgasemissionen, heiß es.

In der Folge legten die Forscher die genaueren Maßstäbe an die nationalen Treibhausgasinventare an. So offenbarte sich, dass die Reduktion der Treibhausgase bis zum Jahr 2030 schneller und deutlicher ausfallen müsste, um das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Insgesamt dürften gegenüber den bisherigen Länderannahmen nochmals zwischen 55 und 65 Gigatonnen CO2 weniger bis zum Jahr 2030 ausgestoßen werden.

“Nationale Klimaziele nachschärfen“

Letztlich müssten viele Länder ihre Bekundungen, Netto-Null-Emissionen zu erreichen, um bis zu fünf Jahre früher einlösen. Die neuen Erkenntnisse „zeigen die Gefahr, Äpfel mit Birnen zu vergleichen: Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, ist es entscheidend, dass die Länder auch das richtige Ziel anstreben“, so Gidden. Würden die Staaten weiter von ihrer bisherigen Berechnungsweise ausgehen, „werden sie ihr Ziel verfehlen“, so der Wissenschaftler.

Diese Gefahr orten auch die beiden britischen Wissenschafter Chris Jones und Alexander Askew in einem “Nature“-Begleitartikel zu der Arbeit, in der nun beschrieben wird, wie die Methodik derart angepasst werden kann, dass die Staaten einmal „einen echten Netto-Nullpunkt melden können“. Mit Blick auf die am 30. November in Dubai beginnende UNO-Klimakonferenz „COP28“ fordern die Experten nachgeschärfte und detailliertere nationale Klimaziele. Es werde immer klarer, dass noch in diesem Jahrzehnt große Anstrengungen im Klimaschutz notwendig sind. Dieses Faktum sollte „nicht in den Details der technischen Berichterstattung“ untergehen, so Gidden.