Schematische Darstellung des Planetensystems aus sechs Planeten
Kosmos

„Walzertanz“ von fernem Planetensystem entschlüsselt

Mit Hilfe der Weltraumteleskope CHEOPS (Characterising Exoplanet Satellite) und TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) hat ein internationales Forschungsteam ein fernes Planetensystem entdeckt und analysiert: Sechs Himmelskörper umkreisen einen hellen Stern in einem harmonischen Rhythmus. Dieser „Walzertanz“ ermöglicht es, die Umlaufbahnen genau zu bestimmen.

Der Stern HD 110067 ist ungefähr 100 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt. Der NASA-Satellit TESS hat den Stern mit seinen Planeten 2020 entdeckt. Bisher konnten etliche Transite – bei denen ein Planet vor dem Stern vorbeizieht und kurzfristig abdunkelt – beobachtet werden. Dennoch war nicht klar, von wie vielen Planeten er tatsächlich umkreist wird: Für die innersten Planeten „HD 110067b“ und „HD 110067d“ konnten Umlaufzeiten von neun und 14 Tagen berechnet werden, für vier weitere konnten keine stichhaltigen Schlussfolgerungen gezogen werden – bis das ESA-Weltraumteleskop CHEOPS ins Spiel kam.

Das vor vier Jahren in den Weltraum entsandte Teleskop soll keine neuen Planeten entdecken, sondern bereits bekannte genauer erforschen und präziser charakterisieren als bisher. Das heißt, es beobachtet Sterne, von denen bereits bekannt ist, dass sie von Planeten umkreist werden – wie eben z.B. HD 110067. Die Planeten von HD 110067 sind sogenannte „Sub-Neptune“ mit Radien zwischen 1,94 und 2,85 Erdradien.

Umlaufzeiten berechnet

Mit den CHEOPS-Beobachtungen konnte gleich einmal die Umlaufzeit (Periode) des Planeten „d“ berechnet werden: Der größte der Planeten umkreist seinen Stern innerhalb von 20 Tagen. So wurde klar, dass sich die drei Planeten in einer „orbitalen Resonanz“ im Verhältnis 3:2 befinden: Während der innerste Planet den Stern neunmal umkreist, führt der zweite sechs und der dritte vier Umrundungen durch, wie die Autoren und Autorinnen nun im Fachmagazin „Nature“ ausführen.

Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermuteten daraufhin, dass auch die weiteren Planeten Teil einer Resonanzkette sein könnten. Durch die Kombination der vorhandenen Beobachtungsdaten von TESS und CHEOPS mit Modellrechnungen konnte das Team die wahrscheinlichsten Umlaufzeiten der drei äußeren Planeten „e“, „f“ und „g“ die entsprechenden Umlaufzeiten von 31, 41 und 55 Tagen berechnen.

Daraufhin richteten sie CHEOPS zu dem Zeitpunkt, zu dem sie den Transit des Planeten „e“ erwarteten, auf dieselben Sterne. Und tatsächlich konnten sie den Transit des Planeten „e“ beobachten und damit seine berechnete Periode bestätigen.

Komplexe Analyse

Die Gesamtanalyse aller gewonnenen TESS- und CHEOPS-Daten war äußerst komplex, wie vonseiten des Grazer IWF betont wurde. „Es war mein Mitarbeiter Andrea Bonfanti, dem sie schließlich als Erstem gelang,“ freute sich IWF- und Mitautor Luca Fossati, Gruppenleiter am Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Eine erneute Analyse der TESS-Daten ergab schließlich zwei versteckte Transits der Planeten „f“ und „g“, genau zu den Zeiten, die von den Vorhersagen erwartet wurden. Damit waren die Umlaufzeiten aller sechs Planeten bestätigt, die den Mutterstern laut den Autoren in perfekter Harmonie umkreisen.

Grafik zu sechs Planeten im Walzertanz
ESA

In der Himmelsmechanik – der Beschreibung der Bewegung astronomischer Objekte durch den Weltraum – spricht man von einer (Bahn-)Resonanz, wenn zwei oder mehrere Himmelskörper periodisch wiederkehrenden gravitativen Einflüssen unterliegen. Sie wird von den Umlaufzeiten der beteiligten Himmelskörper verursacht, deren Verhältnis zueinander durch niedrige natürliche Zahlen beschrieben werden kann, beispielsweise durch das Verhältnis 3:2. Man glaubt, dass nur etwa ein Prozent aller Systeme die Resonanz aus der Zeit der Planetenentstehung beibehält.

Selten lange Resonanzkette

Unter den mehr als 5.000 Exo-Planeten sind Systeme, bei denen sich die Resonanzen über eine so lange Kette von sechs Planeten erstrecken, extrem selten, wurde in der Aussendung des IWF festgehalten. HD 110067 ist das hellste bekannte System mit vier oder mehr Planeten. Daher ermöglicht es den Astronomen, qualitativ hochwertige Daten zu gewinnen. Die gemessene Masse und Dichte von drei der Planeten lässt auf das Vorhandensein großer wasserstoffdominierter Atmosphären schließen. „Somit sind sie ideale Kandidaten für die Untersuchung der Zusammensetzung ihrer Atmosphären mit dem James-Webb-Weltraumteleskop“, betonte IWF-Direktorin Christiane Helling.

Das IWF hat einen von zwei Bordrechnern auf CHEOPS entwickelt und gefertigt, der den gesamten Datenverkehr abwickelt und zusätzlich die thermische Kontrolle des Teleskops übernimmt. Außerdem war das IWF an der Software-Entwicklung beteiligt und ist im „CHEOPS-Board“ und im wissenschaftlichen Team vertreten.