Ärztin mit Datenblatt im Krankenhaus
©ipopba – stock.adobe.com
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Gesundheitsreform

Wissenschaft kritisiert fehlenden Datenzugang

Österreichs Gesundheitswesen soll digitaler werden, ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde bereits auf den Weg gebracht. Grundsätzlich sieht man in der Wissenschaft vieles davon positiv. Dass Forscherinnen und Forscher nun aber ausgerechnet zur zentralen Datenplattform keinen Zugang haben sollen, stößt auf deutliche Kritik.

Informationen zur eigenen Gesundheit soll künftig jeder und jede einzelne einsehen können – von Ergebnissen von Untersuchungen über verschriebene Medikamente bis hin zu langfristigen Therapien. Die Informationen sollen zentral in einer eigenen Datenbank gespeichert werden. Dass nun die Wissenschaft keinen Zugriff auf diese pseudonymisierten, also individuell nicht nachvollziehbaren Daten haben soll, sei ein grobes Versäumnis, so der Komplexitätsforscher Stefan Thurner.

Nur Bund, Länder und Sozialversicherungen

Thurner hat im Auftrag des Obersten Sanitätsrats eine Arbeitsgruppe zur Modernisierung des Gesundheitswesens geleitet, er sagt: „Das Problem ist, dass diese Informationen laut vorliegendem Gesetzesentwurf ausschließlich Bund, Ländern und Sozialversicherungen zur Verfügung stehen sollen.“ Die Wissenschaft erhalte keinen Zugang, dabei könnten aus der Forschung zum Gesundheitswesen jene Innovationen kommen, wie dann auch den Patientinnen und Patienten nützen.

Die skandinavischen Länder stellen seit vielen Jahren der Wissenschaft Gesundheitsdaten zur Bevölkerung zur Verfügung. Teams auf der ganzen Welt haben diese Datensätze für Forschungsprojekte verwendet und damit zahlreiche Innovationen angestoßen.

EU fordert offeneren Datenzugang

In Österreich soll nicht nur der Datenzugang der Wissenschaft verwehrt bleiben, auch das begleitende Gremium soll ausschließlich aus Bund, Ländern und Sozialversicherungen besetzt werden – das sei zu eng gedacht, so Thurner: „Das muss ein offenes Gremium sein mit Patientinnen und Patienten, Ethik, Technik und Wissenschaft. Das kann man nicht auf den Kreis einschränken, der das System steuert und finanziert.“ Thurner hält das für „nicht kompatibel mit einer modernen Demokratie.“

Dem stimmt auch Harald Oberhofer, Sprecher der Plattform Registerforschung, im Gespräch mit dem Ö1 Mittagsjournal zu. Und er ergänzt: „Es geht um evidenzbasierte Politik. Wenn nun Reformen im Gesundheitssystem gemacht werden, kann es nicht sein, dass sich die Akteure selbst evaluieren.“

Gefragt wären jetzt Nachbesserungen im Gesetzesentwurf: „Wir sollten nicht noch einmal fünf Jahre warten, bis die nächste Chance kommt oder bis es von der EU verordnet wird.“ Auf EU-Ebene habe man nämlich erkannt, dass Europa bei der Digitalisierung gegenüber den USA zurückfalle. Während in den USA die großen Datensätze bei privaten Technologieunternehmen liegen, sind sie in Europa in öffentlicher Hand – ein Vorteil, der bei der Gesundheit genutzt werden soll, indem Daten zugänglich gemacht werden.

Seitens des Gesundheitsministeriums bestätigt man auf Anfrage von Ö1, dass derzeit nicht daran gedacht ist, für Forschungsprojekte einen Zugang zur geplanten Datenplattform zu öffnen. In Zukunft sei ein solcher Schritt möglich, genaues Datum wird in der Stellungnahme nicht genannt. Ein Zugang für die Forschung – unter Wahrung strenger datenschutzrechtlicher Standards – sei in der kürzlich vorgestellten eHealth-Strategie verankert. Beim Dachverband der Sozialversicherungsträger sieht man großen Nutzen in der Forschung mit Gesundheitsdaten für das Gesundheitssystem, wird sie aber vorerst weiterhin nur für einzelne Projekte zur Verfügung stellen.