Weniger Zucker, mehr Fette. Die Low-Carb-Diät könnte sich auch für therapeutische Zwecke bei Krebserkrankungen als hilfreich erweisen.
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Medizin

Zuckerarme Diät verbessert Krebstherapie

Ein Salzburger Forschungsteam hat Krebstherapien mit einer zuckerarmen Diät und einem Diabetesmedikament kombiniert und damit ihre Wirksamkeit deutlich erhöht. Mit dem Ansatz ist es möglich, sowohl die Dauer als auch die Dosis der Chemotherapien zu reduzieren, was die Behandlung für die Patientinnen und Patienten weniger belastend macht.

Normalerweise fließen in gesunden Körperzellen Zucker, Fette und Proteine in streng geregelten Verhältnissen. Tumorzellen bringen dieses Gleichgewicht aber durcheinander. „Die Tumorzellen zeigen im Unterschied zu normalen Zellen eine extrem erhöhte Aufnahme von Blutzucker“, erklärt die Biochemikerin Barbara Kofler, die die Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am Uniklinikum Salzburg leitet, im Gespräch mit science.ORF.at. „Normale Zellen brauchen den Blutzucker, um ihn in Energie umzuwandeln, Tumorzellen brauchen ihn hingegen, um zu wachsen.“

Tumorzellen hungern

Das Forschungsteam um Kofler nahm sich daher zum Ziel, den Zucker aus dem System zu entfernen und den Tumorzellen so das Wachstum zu erschweren. „Wir wissen bereits, dass diese Zellen die Abbauprodukte von Fetten kaum oder zum Teil gar nicht verstoffwechseln können“, so die Biochemikerin. Das Team untersuchte daher an Mäusen, wie sich eine ketogene Diät auf das Wachstum der Tumorzellen auswirkte.

Bei dieser speziellen Form der Ernährung wird die Kohlenhydratzufuhr so weit reduziert, dass der Körper damit beginnt, die benötigte Energie nicht aus Glukose, sondern vorrangig oder ausschließlich aus Fett zu beziehen. Gesunde Körperzellen kommen damit gut zurecht, die Tumorzellen hungern hingegen aus und kommen an deutlich weniger Energie.

Mehrere Fronten bei Tumorbekämpfung

Trotz des fehlenden Zuckers stagnieren das Wachstum und die Zellatmung in den Tumorzellen aber nicht gleich komplett. „Wir wissen, dass die Zellen durchaus noch weiterarbeiten können, wenn auch in einem geringeren Ausmaß“, so Kofler. Neben der ketogenen Diät ergänzte das Team die Therapie daher um eine zweite Facette.

Das Diabetesmedikament Metformin kann bestimmte Komponenten der Zellatmung blockieren, was den Forscherinnen und Forschern in ihren Versuchen sehr gelegen kam. Das Team verglich die Effekte verschiedener Kombinationen aus niedrigdosierter Chemotherapie, ketogener Diät und Metformin an Mäusen, denen vorab menschliche Krebszellen transplantiert wurden.

Zu den besten Ergebnissen führte dabei eine Kombination aus allen drei Komponenten. „Es ist wichtig zu betonen, dass wir weder die ketogene Diät noch Metformin als Einzeltherapien gegen Krebs anbieten würden, sondern nur als komplementäre Maßnahmen“, so Kofler.

Kombination erhöht Überlebensrate

Es zeigte sich, dass mit der Dreifachtherapie mehr Mäuse über einen längeren Zeitraum überlebten. So waren am Ende des Experiments noch 65 bzw. 100 Prozent der Tiere (je nach Art der Tumorzelle) am Leben, während bei einer alleinigen Chemotherapie 0 bzw. 10 Prozent überlebten. Auch schon die Zweifachkombination aus ketogener Diät und Chemotherapie zeigte Wirkung, verbesserte die Therapie aber in deutlich geringerem Ausmaß. Die damit behandelten Mäuse wiesen eine Überlebensrate von 40 bis 50 Prozent auf.

Im Mäuseversuch arbeitete das Salzburger Team mit Zellen von menschlichen Neuroblastomen, bei denen es sich um die zweithäufigsten soliden Tumoren im Kindesalter handelt. „Wir haben aber auch schon Tests im Bereich Haut- und Brustkrebs durchgeführt und auch andere Forschungsteams untersuchen ähnliche Methoden“, erklärt die Biochemikerin. Bei rund dreiviertel aller bisherigen Studien konnte die kombinierte Therapie das Wachstum der Krebszellen demnach hemmen.

Ob die Methode aber tatsächlich bei allen Krebsarten Wirkung zeigt, ist derzeit noch unklar. „Es gab auch schon ein paar wenige Studien, in denen die Therapie bei bestimmten Krebsarten sogar das Wachstum gefördert hat“, so Kofler. Es sei daher wahrscheinlich nötig, die Therapie individuell auf die jeweilige Krebsart und zum Teil auch an die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten anzupassen. „Die Behandlung könnte also auch Teil der personalisierten Medizin werden“, so Kofler.

Vom Tiermodell zur klinischen Anwendung

„Natürlich lassen sich Mäuse und Menschen nicht direkt vergleichen“, stellt die Biochemikerin klar. Sie sieht in dem Ergebnis der Untersuchung aber trotzdem einen „wegweisenden“ Fortschritt. Wenn man bedenke, dass das Überleben der Patientinnen und Patienten mit Neuroblastomen in den vergangenen zehn Jahren trotz vieler internationaler Studien nur um wenige Prozentpunkte erhöht werden konte, seien die Ergebnisse aus dem Mäuseversuch durchaus vielversprechend.

Derzeit arbeitet Koflers Team weiterhin mit Versuchstieren, um die dahinterliegenden Mechanismen noch genauer zu klären. Das Ziel der Forscherinnen und Forscher ist es aber, die Erkenntnisse auch im klinischen Bereich anzuwenden. Dafür brauche es auch noch umfassende Tests an Menschen. Wenn sich die Ergebnisse auch in der Klinik bestätigen, dann könnte sich die Dauer und Dosis von Chemotherapien und somit auch das Aufkommen von Nebenwirkungen deutlich reduzieren.

Ärztliche Begleitung wichtig

Vom Selbstversuch und der unbeaufsichtigten Einnahme von Metformin rät die Biochemikerin jedenfalls klar ab. Auch eine ketogene Diät sollte immer ärztlich und diätologisch begleitet werden.

Nur den Zuckerkonsum zu reduzieren, kann laut Kofler zwar auch schon Vorteile mit sich bringen – Betroffene mit einer Krebserkrankung sollten vorab aber jedenfalls mit ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten abklären, ob auch schon kleine Veränderungen der Essgewohnheiten problemlos und ohne ungewollte Nebeneffekte möglich sind.