Krebskranke Frau in Krankenhausbett
Rido/stock.adobe.com
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Krebs

2,3 Mio. Frauen pro Jahr sterben zu früh

Jährlich sterben rund fünf Mio. Menschen im Alter von unter 70 Jahren an Krebs. 2,3 Mio. dieser Todesfälle betreffen laut einer internationalen Studie Frauen. Durch die Vermeidung von Risikofaktoren und frühe Diagnosen ließen sich 1,5 Mio. davon vermeiden, weitere 800.000 durch optimale medizinische Versorgung.

„Krebs ist eine der häufigsten Todesursachen und weltweit unter den drei häufigsten Ursachen für vorzeitige Todesfälle bei Frauen in fast jedem Land der Welt“, heißt es in dem soeben erschienenen Spezialformat „The Lancet Commissions“ des angesehenen Medizinfachblatts, das sich in der Regel ausführlich mit politischen relevanten Themen beschäftigt. Insgesamt sind laut einer gleichzeitig im Fachblatt „The Lancet Global Health“ erschienenen Studie im Jahr 2020 weltweit knapp 5,3 Millionen Menschen vorzeitig – also im Alter unter 70 Jahren – an Krebserkrankungen gestorben. Mehr als 3,6 Millionen Todesfälle wären durch Lebensstiländerungen vermeidbar, mehr als 1,6 Millionen behandelbar gewesen.

Lebensstilfaktoren bei Frauen

Besonders bei Frauen werde das weltweit unterschätzt, heißt es in dem Bericht „Women, Power, and Cancer: A Lancet Commission“, in dem sich internationale Experten und Expertinnen ausführlich den globalen Ungleichheiten in Zusammenhang mit Krebs widmen: „Rund 1,3 Millionen Frauen aller Altersgruppen starben im Jahr 2020 infolge der vier Hauptrisikofaktoren für Krebs: Tabakkonsum, Alkohol, Adipositas und Infektionen. Diesem Problem im Zusammenhang mit Krebs bei Frauen wird aber zu wenig Beachtung geschenkt.“ Zum Beispiel habe eine Studie aus dem Jahr 2019 in Großbritannien gezeigt, dass nur 19 Prozent jener Frauen, die zu einer Brustkrebsfrüherkennung kamen, wussten, dass Alkohol ein Hauptrisikofaktor für das Mammakarzinom ist.

Falsche Vorstellungen

Gesundheitssystem, Medizin und Gesellschaft haben demnach auch oft falsche Vorstellungen von Krebs bei Frauen. „Diskussionen über bösartige Erkrankungen bei Frauen konzentrieren sich oft auf Krebsformen, die allein Frauen betreffen – wie das Mammakarzinom oder Gebärmutterhalskrebs. Aber rund 300.000 Frauen im Alter unter 70 Jahren sterben jährlich weltweit an einem Lungenkarzinom, zusätzlich etwa 160.000 Frauen an Darmkrebs: Das sind zwei der drei häufigsten Krebstodesursachen bei Frauen weltweit“, so Isabelle Soerjomataram, stellvertretende Leiterin der Abteilung für Krebs-Epidemiologie der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), in einer Aussendung.

Die epidemiologische Situation spricht eine deutliche Sprache, wie Verna Vanderpuye, Kovorsitzende der „Lancet“-Kommission, welche den neuen Bericht erstellte, betont: „Während Männer ein höheres Risiko für das Erkranken an Krebsleiden haben, die beide Geschlechter betreffen, haben Frauen in etwa das gleiche Krebsrisiko, wenn man alle bösartigen Erkrankungen zusammen betrachtet. 48 Prozent aller Krebserkrankungen und 44 aller dadurch hervorgerufenen Todesfälle treten unter Frauen auf. Von den drei Millionen Erwachsenen, bei denen im Jahr 2020 im Alter von unter 50 Jahren eine bösartige Erkrankung festgestellt wurde, waren zwei Drittel Frauen.“

Zu wenig Zeit für Gesundheit

Die Konsequenzen der Benachteiligung von Frauen in Sachen Krebs sind katastrophal: Jährlich bleiben laut dem Bericht nach Krebserkrankungen bei Frauen im jungen und mittleren Erwachsenenalter weltweit etwa eine Million Kinder als Halbwaisen zurück. Weltweit haben demnach Frauen in vielen Regionen weiterhin einen schlechteren Zugang zu Prävention, Screening, Diagnose und Therapie von bösartigen Erkrankungen. Hier kommen gesellschaftliche Benachteiligung, geringeres Einkommen und Belastungen durch Familie und Angehörige zusammen. Viele Krebserkrankungen bei Frauen werden zu spät diagnostiziert, weil diese in vielen Regionen der Erde oft zu wenig Zeit haben, sich um ihre Gesundheit zu kümmern.

Im Bericht werden noch weitere oft übersehene Ungleichheiten thematisiert: Unter anderem spielen Frauen auch in der Betreuung von Krebskranken eine unterschätzte Rolle. Sie übernehmen die Hauptlast der häufig unbezahlten Pflegearbeit. Das sei ein Grund, der einen Aufstieg von Frauen in der Krebsforschung oder in der Politik verhindern kann, betonen die Experten und Expertinnen, was die schlechte Versorgungslage für Frauen weiter begünstigt. Um Gesundheitssysteme weltweit gerechter und inklusiver zu machen, brauche es daher mehr politischen Willen. Im Bericht werden die zehn wichtigsten Aktionen für mehr Gerechtigkeit aufgelistet.