Eine Frau in Steinzeitkostüm schießt mit einem Pfeil und Bogen
APA/AFP/DPA/AXEL HEIMKEN
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Jungsteinzeit

Männer hatten leichteres Leben

Männer sind im Europa der Jungsteinzeit deutlich größer als Frauen gewesen. Das lag laut einer neuen Studie nicht an unterschiedlicher Ernährung oder erblichen Ursachen, sondern an ungleicher Behandlung: Die Männer hatten vor 8.000 bis 6.000 Jahren offenbar ein leichteres Leben als die Frauen.

Die US-Genetikerin Samantha Cox von der Universität Pennsylvania analysierte mit ihrem Team die Überreste von über 1.500 Jungsteinzeitbäuerinnen und -Bauern aus Europa. Für die im Fachjournal „Nature Human Behaviour“ erschienene Studie lasen die Forscherinnen und Forscher das Erbgut dieser Menschen aus.

Sie gewannen Einblicke in deren Ernährung, indem sie in die Knochen eingebaute chemische Elemente analysierten. An den Zähnen und Knochen fand man wiederum Hinweise auf Krankheiten. Außerdem haben sie die Oberschenkelknochen abgemessen. Aus deren Länge kann man auf die Körpergröße schließen.

20 Zentimeter Unterschied

Die Größenunterschiede zwischen Männern und Frauen waren in dieser Zeit laut der Analyse viel ausgeprägter als heute, so das Team, zu dem auch Nicole Nicklisch und Kurt Alt vom Zentrum für Natur- und Kulturgeschichte des Menschen der Danube Private University in Krems (NÖ) gehören: In modernen Gesellschaften weltweit beträgt das Größenverhältnis der beiden Geschlechter zwischen 1,06 und 1,08. Das heißt, dass einer 1,70 Meter großen Frau statistisch gesehen ein Mann gegenübersteht, der zwischen 1,80 und 1,84 groß ist.

In der Jungsteinzeit war der Größenunterschied in Europa nördlich von Österreich aber viel deutlicher ausgeprägt. Das Verhältnis lag laut Studie nämlich bei 1,14, d.h. einer 1,50 Meter großen Frau stand statistisch ein Mann von rund 1,71 Metern gegenüber.

Im südlichen Mitteleuropa – wozu auch Österreich zählt – betrug das Verhältnis 1,09 und am Balkan 1,11. Nur in manchen Gesellschaften der modernen Welt, wie etwa in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Indien, gäbe es laut wissenschaftlicher Literatur heutzutage Werte in der Höhe von 1,10, und diese seien für ihre „kulturelle Vorliebe für männliche Kinder bekannt“.

Nur in Südeuropa anders

Für die jungsteinzeitliche Größendiskrepanz gäbe es keine erkennbaren genetischen, ernährungs- oder krankheitsbedingten Ursachen, erklären die Forscherinnen und Forscher. Die frühen Bäuerinnen und Bauern hatten damals anstrengende Leben und waren kleiner sowie kränker als die Jäger und Sammler in der Altsteinzeit. Dieser Stress wurde wohl durch Bevorteilung beim männlichen Geschlecht stärker abgefedert als beim weiblichen Geschlecht, was sich in den Körpergrößen niederschlug, meinen die Fachleute. Weil Vieh und Getreide umso schlechter gediehen, umso nördlicher man lebte, waren die Unterschiede im nördlichen Mitteleuropa deutlicher als im südlichen.

Nur im Mittelmeerraum gab es offensichtlich keine Bevorzugung der Männer. Davon zeugt ein quasi „übermodernes“ Geschlechtergrößenverhältnis von 1,05. Die Männer dort zählten zudem zu den kleinsten im jungsteinzeitlichen Europa.