Schwangere Frau liegt auf Bett mit Händen vor dem Gesicht
nataliaderiabina/stock.adobe.com
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Schwangerschaft

Hormon löst Übelkeit aus

Manchen Frauen ist nur etwas flau im Magen, andere müssen sich mehrmals am Tag übergeben. Etwa zwei Drittel aller Schwangeren leiden unter Übelkeit. Die Ursache des Gesundheitsproblems könnte ein vom Fötus produziertes Hormon sein. Eine aktuelle Studie weckt nun Hoffnung auf eine Behandlung.

Zu Beginn einer Schwangerschaft ist sieben von zehn Frauen zumindest manchmal schlecht, häufig in der Früh oder bei bestimmten Gerüchen. Das kann bis zum Erbrechen führen. Bei den meisten verschwindet die Übelkeit bis zum vierten Monat. Bei Frauen, die unter Hyperemesis gravidarum leiden, kann der Zustand länger andauern, noch dazu in einer besonders ausgeprägten Form.

Von diesem unstillbaren Schwangerschaftserbrechen sind bis zu drei Prozent der Schwangeren betroffen. Sie müssen sich bis zu dreißig Mal am Tag übergeben, sogar bei leerem Magen. Essen und Trinken fällt ihnen schwer, normale Tagesaktivitäten sind oft nicht mehr durchführbar. Körperliche Auswirkungen wie Gewichtsverlust und Elektrolytmangel können die Gesundheit von Mutter und Kind gefährden.

Im ersten Schwangerschaftsdrittel ist die schwere Übelkeitsform daher einer der häufigsten Gründe für eine Krankenhausaufnahme. Außer Infusionen gegen die Dehydrierung gibt es keine ursächliche Behandlung. Denn bis vor Kurzem war auch die Ursache der Schwangerschaftsübelkeit weitgehend unklar. Erst im Jahr 2018 identifizierte ein Team um Marlena Fejzo von der University of California bei einer Genanalyse von mehr als 53.000 Frauen zwei Genvarianten, die das Risiko für Übelkeit in der Schwangerschaft in allen Schweregraden erhöhen. Eine davon steht mit der Produktion des Proteins GDF-15 („growth/differentiation factor 15“) in Zusammenhang – der Wachstumsdifferenzierungsfaktor wirkt wie ein Hormon.

Hormon vom Fötus

Für die aktuelle, soeben im Fachmagazin „Nature“ erschienene Studie, hat Fejzo gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen die konkreten Effekte des Hormons bei Schwangeren analysiert. Zuvor war bereits bekannt, dass GDF-15 in einer bestimmten Region des Hirnstamms wirkt, die für Übelkeit und Erbrechen verantwortlich ist; eine Überproduktion findet man etwa auch bei Krebskranken.

Das internationale Team hat nun unter anderem Blutproben von Schwangeren untersucht. Dabei zeigte sich, dass der GDF-15-Spiegel bei allen im Lauf der ersten zwölf Schwangerschaftswochen ansteigt; bei Frauen, die unter Übelkeit litten, war er allerdings noch höher. Weitere Analysen ergaben, dass der Großteil des Hormons im mütterlichen Blut vom Fötus stammte.

Unterschiedlich empfindlich

Wie die Forscher und Forscherinnen außerdem herausfanden, reagieren nicht alle Frauen gleich auf das vom Ungeborenen produzierte Hormon. Eigentlich komme GDF-15 in geringen Mengen in allen Geweben vor, völlig unabhängig von einer Schwangerschaft. Manche Frauen haben aber von Natur aus nur sehr wenig davon im Blut.

Frauen mit dieser Veranlagung leiden laut der Studie viel häufiger unter Übelkeit, anscheinend reagieren sie viel stärker auf das vom Fötus produzierte Hormon. Auf der anderen Seite sind Frauen, bei denen immer größere Mengen an GDF-15 im Blut zirkulieren, viel seltener von Schwangerschaftsübelkeit betroffen. Das betrifft etwa Frauen mit der Erbkrankheit ß-Thalassämie.

Mögliche Behandlungen

Wie Forschungsleiter Stephen O’Rahilly von der University of Cambridge in einer Aussendung ausführt, könnte das erklären, warum manche Frauen gar nicht und andere so stark unter Schwangerschaftsübelkeit leiden: „Ungeborene produzieren das Hormon in Mengen, die die Mütter nicht gewohnt sind. Wenn sie besonders empfindlich dafür sind, wird ihnen besonders übel.“

Diese Erkenntnis könnte auch neuen Behandlungen den Weg ebnen. Man könnte etwa medikamentös verhindern, dass das Hormon an den entsprechenden Rezeptor im Gehirn bindet und so die akuten Symptome lindern. Eine andere Möglichkeit wäre es, den GDF-15-Spiegel schon vor einer Schwangerschaft zu erhöhen, um die starke Reaktion auf das Hormon vorzubeugen.

Noch bleibt zu klären, ob diese hormonellen Wechselwirkungen zwischen Mutter und Fötus wirklich die einzige Ursache von Schwangerschaftsübelkeit sind. Das betonen auch Alice Hughes und Rachel Freathy von der University of Exeter in einem Begleitkommentar zur Studie. Die Ergebnisse seien jedenfalls ein wichtiger Beitrag zum Verständnis einer Krankheit, die viele Frauen bisher einfach ertragen mussten.