Ein Arzt hält eine Pille in seinen Fingern, die von einem Handschuh geschützt sind
julien leiv – stock.adobe.com
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Gesundheitswesen war schlecht vorbereitet

Österreichs Gesundheitswesen ist auf die Coronavirus-Pandemie schlecht vorbereitet gewesen. Das berichten Hausärzte und -ärztinnen in einer neuen Studie. Zu Beginn herrschten bei ihnen Unsicherheit, Befürchtungen und Improvisation – aus strukturellen und technischen Gründen.

„Wir arbeiteten buchstäblich auf Parkplätzen, in Autos, Garagen und in separat aufgestellten Partyzelten“, so laut das Originalzitat eines Teilnehmers der Studie. Veröffentlicht wurde sie vor Kurzem von einem Team um Susanne Rabady von der Karl Landsteiner Universität in Krems und Kathryn Hoffmann von der MedUni Wien im Fachmagazin „BMC Health Services Research“.

Deutlicher Rückgang der Ordinationsbesuche

Obwohl Covid-19 ab Anfang 2020 das dominierende Problem für das Gesundheitswesen war, stellten die Fachleute gleich zu Beginn ihrer Arbeit fest: „Bis jetzt hat eine Studie zur ‚Performance‘ Österreichs auf dem Gebiet der Primärversorgung (zur Pandemie; Anm.) gefehlt.“

Das Team um Rabady führte zwischen Anfang Februar und dem 22. Juli 2022 strukturierte Interviews mit 30 Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern (alle Bundesländer außer Salzburg) durch. In jeweils elf Fällen handelte es sich um Einzelordinationen und um Gruppenpraxen, acht Interviews fanden mit Primärversorgungseinheiten (PVEs) statt.

Der Beginn der Pandemie, so die Fachleute: „Von fast allen Studienteilnehmern wurde ein starker Rückgang der Patientenkontakte registriert.“ Dies sei vor allem auf die Angst vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 bei Ordinationsbesuchen zurückzuführen gewesen. In einem Interview wurde von einer 20 Prozent weniger Patientinnen und Patienten gesprochen.

Mehrbelastung und Verunsicherung

Die meisten Ordinationen setzten ganz oder zumindest teilweise auf Terminvergaben, versuchten durch eine Vorselektion potenziell infektiöse Personen von den übrigen zu trennen. An die Terminvergaben seien manche Patienten einfach nicht gewöhnt gewesen, auf der anderen Seite hätte man auch eine administrative Mehrbelastungen erlebt, heißt es in der Arbeit. Manche Ärztinnen und Ärzte hätten mehr Mobiltelefone für das Ordinationspersonal und Laptops gekauft. Auch teilweise Home-Office des Personals gab es, um das Infektionsrisiko möglichst klein zu halten.

Insgesamt sei speziell die erste Zeit mit Covid-19 von starker Verunsicherung geprägt gewesen, stellten die Studienautorinnen und der Studienautor fest. Ein Zitat aus einem der Interviews: „Es war klar, dass die Gesundheitsbehörde bei Auftreten eines positiven Covid-19-Falles in der Praxis sofort alle Räumlichkeiten schließen würde.“ Es gab Unsicherheiten bezüglich der Schutzkleidung (Masken etc.), Probleme mit Desinfektionsmitteln etc.

Kommunikationsprobleme

Hinzu kamen laut den Ärztinnen und Ärzten massive Kommunikationsprobleme: „Die ersten Wochen der Pandemie wurden von allen Studienteilnehmern als speziell schwierig in Sachen Information und Orientierungshilfen erlebt (…). Die Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren des Gesundheitswesens wurden als große Herausforderung gesehen.“ In der Studie wird eine Aussage zitiert: „In den ersten vier bis sechs Wochen hörten wir von niemanden etwas. Wir hatten, was wir hatten.“ Ein anderer Interviewpartner erklärte: „Alles braucht ein bisschen Zeit. Es herrscht Chaos, wenn eine Pandemie ausbricht.“

Für die meisten an der Studie teilnehmenden Ärzte stellte sich die Ärztekammer als hauptsächlicher Kontaktpunkt heraus. Die Erfahrungen waren aber auch gemischt. Manche Ärzte berichteten auch von guten Kontakten zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK). Andere fühlten sich von der ÖGK aber allein gelassen: „Die ÖGK (…) hatte und hat ‚abgedreht‘, was die Pandemie betrifft. Keine Orientierungshilfen, keine Instruktionen, Nichts. Nichts in zwei Jahren.“

Strukturelle Mängel

Insgesamt waren aber offenbar viele Probleme auf bereits in der Vergangenheit oft kritisierte Mängel in der Struktur des österreichischen Gesundheitswesens begründet. Die Fachleute in der Kurzzusammenfassung ihrer Studie: „Die Allgemeinmediziner haben im Management der Pandemie essenzielle Aufgaben übernommen und ein hohes Maß an Verständnis ihrer Rolle gezeigt. Das wurde hauptsächlich auf informeller Ebene und mit einem hohen persönlichen Einsatz erreicht.“

Auf der anderen Seite: „In Österreich gibt es keine strukturierte Gliederung der (medizinischen; Anm.) Versorgung, keine Definition der Rolle der Allgemeinmediziner im Rahmen einer Pandemie und keine spezifischen Unterstützungsstrukturen.“ Deshalb sollten in Zukunft auch infrastruktureller Support, Kommunikation und Information für solche Fälle gesichert werden.

Ein Problem, so die Fachleute: Es gebe in Österreich „keine Kommunikationsstruktur, die es erlaubt, alle Allgemeinmedizin-Ordinationen direkt und gleichzeitig zu kontaktieren. Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) muss dazu neun verschiedene Kommunikationsnetzwerke in neun Bundesländern benützen. Das Gesundheitsministerium hat keinen direkten Zugang zu den Ärzten.“