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GEPA/Wolfgang Grebien
GEPA/Wolfgang Grebien
Kryosphären-Bericht

Deutlich weniger Schnee und Eis in Österreich

Die Klimaerwärmung führt laut einem neuen Bericht zu einem massiven Rückgang der Kryosphäre in Österreich. Unter diesem Begriff werden Gletscher, Schneebedeckung, Permafrost und Eisbedeckung von Seen zusammengefasst.

Wie aus dem ersten, kürzlich veröffentlichten Kryosphären-Monitoring-Bericht („KryoMon.AT“) hervorgeht, war 2021/22 von einer besonders geringen Schneedecke, einem extremen Gletscherrückgang, auftauenden Permafrostböden und einer geringen Dauer der Eisbedeckung von Seen geprägt.

Parallel zur höheren Temparaturen

Die Kryosphäre habe große Bedeutung für Österreich, ihre Komponenten seien „Grundlage für den Tourismus, Ursache von Naturgefahren wie Lawinen oder Einflussgröße auf Ökologie und Landwirtschaft“, heißt es in dem von der Uni Graz veröffentlichten Bericht. Dieser stellt auf Basis der Arbeit von einer Vielzahl von Forschergruppen in Österreich und Deutschland erstmals in einer Zusammenschau die klimabedingten Veränderungen der Kryosphäre in Österreich vor.

Die aus den Messungen belegten markanten Veränderungen der Kryosphäre würden die enorme Temperaturzunahme in den Alpen seit ca. 1980 widerspiegeln. So verweist der Bericht auf die Durchschnittstemperatur von 8,1 Grad Celsius im Jahr 2022 in Österreich, das damit das zweitwärmste Jahr in der bis 1767 zurückreichenden Messgeschichte gewesen sei.

Gletscher bis Ende Oktober schneefrei

Seit Jahrzehnten gut dokumentiert ist die Entwicklung der heimischen Gletscher. Wie sehr ihnen der Klimawandel zusetzt, zeigt sich einmal mehr in dem aktuellen Bericht: Die Massenbilanz weise für 2021/22 „für alle österreichischen Gletscher den negativsten jemals gemessenen Wert auf“, heißt es in dem Bericht. Im Durchschnitt haben die Gletscher im Beobachtungszeitraum rund 29 Meter an Länge verloren.

Dabei zeichnet sich auch 2023 keine Trendwende ab: „Heuer waren die Alpen von Mitte bis Ende Oktober schneefrei bis in die Gipfel und wir hatten auf den Gletschern nur Blankeis. Das gab es seit Beginn der Messaufzeichnungen noch nie“, erklärte Andrea Fischer vom Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auf der Homepage der ÖAW, die eine der zahlreichen an dem Bericht beteiligten Institutionen war.

Dabei seien Oktober und November am wichtigsten für die Entstehung einer Schneedecke auf den Gletschern, die das Eis im Sommer so lange wie möglich vor der Schmelze schütze. „Wenn zu dieser Zeit selbst in größeren Höhen der Altweibersommer herrscht, können selbst massive Schneefälle von Dezember bis Februar das in der Massenbilanz nicht wettmachen.“

Mehr Steinschläge und Felsstürze

Die seit den 1880er-Jahren um rund zwei Grad Celsius gestiegene mittlere Jahrestemperatur in Österreich führe zum Auftauen des Permafrosts. Dessen zuvor stabilisierende Wirkung auf Grate, Schutthalden oder Felswände lasse bereits bei Erwärmung deutlich nach „und ist aktuell nur mehr deutlich reduziert gegeben“, heißt es in dem Bericht. Die Folge sei eine Zunahme von Steinschlägen, Felsstürzen und Bodensetzungen, die „einen erheblichen Risikofaktor darstellen, der vor allem für den hochalpinen Fremdenverkehr von steigender Relevanz ist“.

Zu den häufigsten Formen des alpinen Permafrosts zählen sogenannte „Blockgletscher“, von denen es laut Fischer in Österreich mehr gibt als „echte“ Gletscher. Die Fließgeschwindigkeit dieses Stein-Eis-Gemisches, dessen Oberfläche einem zähflüssigen Lavastrom ähnelt, nimmt durch die höheren Temperaturen deutlich zu. Das kann zu Instabilitäten führen, wie das Beispiel des Blockgletschers Äußeres Hochebenkar in den Ötztaler Alpen (Tirol) zeigt. „Dessen Fließgeschwindigkeit hat sich von fünf auf 27 Meter pro Jahr beschleunigt, und er bewegt sich mittlerweile mit 20 Zentimetern am Tag talwärts“, so Fischer.

Blick auf Pasterze am Fuß des Großglockner
APA/ZAMG
Blick auf Pasterze am Fuß des Großglockner

Eisdecke: Nur Weißensee tanzt aus der Reihe

Die zeitliche Verkürzung oder der Verlust der Eisdecke von Seen war eine der ersten beobachteten Auswirkungen der Klimaerwärmung. Das fehlende Eis hat nicht nur Auswirkungen auf den Tourismus, sondern auch auf wichtige Ökosystemprozesse in Seen. Der Bericht nennt Daten für drei österreichische Seen: Der Neusiedler See (Burgenland) hatte 2021/22 keinen einzigen Tag mit geschlossener Eisdecke, im Zehn-Jahresmittel (2011-2020) waren es 19 Tage. Der Lunzer See (NÖ) war im Berichtsjahr drei Tage zugefroren (33 Tage im Zehn-Jahresmittel), der Weißensee (Kärnten) hatte dagegen 2021/22 mit 68 Tagen länger eine Eisdecke als im Zehn-Jahresmittel (64).

Deutlich weniger Schnee

Von den mehr als 1.000 Messstationen mit Schneehöhenmessung in Österreich nennt der Bericht Daten von acht Stationen. In Innsbruck betrug etwa die Neuschneesumme im 30-jährigen Mittel (1991-2020) rund 90 Zentimeter, im Winter 2021/22 waren es dagegen nur 38 Zentimeter. In Galtür gab es im 30-jährigen Mittel in Summe 481 Zentimeter Neuschnee, 2021/22 waren es 284 Zentimeter. Lunz am See hatte zwischen 1991 und 2020 im Mittel 292 Zentimeter Neuschnee, im Winter 2021/22 waren es 175 Zentimeter.

Die Veränderung des Schnees sei in Gebirgsländern wie Österreich eine „besonders relevante Größe des Klimawandels“, heißt es im Bericht, etwa als wesentliche Ursache für Naturgefahren, aber auch als ökonomische Grundlage für den Wintertourismus, als Lebensgrundlage in Form der Wasserversorgung großer Städte und als wesentliche Einflussgröße auf die Ökologie von Pflanzen und Tieren.

Geplant ist künftig eine jährliche Erscheinungsweise der Analyse, die heuer vom Klimaministerium gefördert wurde. Allerdings fehle ein Förderinstrument für ein regelmäßiges Kryosphären-Monitoring in Österreich, heißt es in dem Bericht.