Umzug

Neuer Standort für Complexity Science Hub

Mit gerade einmal drei Mitarbeitern hat der Complexity Science Hub (CSH) 2016 seine Tätigkeit aufgenommen. Mittlerweile arbeiten knapp 80 Personen in der Einrichtung, die sich der Erforschung komplexer Systeme widmet. Aus diesem Grund übersiedelt der Hub vom Palais Strozzi in Wien-Josefstadt ins Palais Rothschild in Wien-Landstraße.

Der vom „Verein zur wissenschaftlichen Erforschung komplexer Systeme“ getragene CSH hat das Ziel, mit Mitteln der Komplexitätsforschung aus großen Datenmengen (Big Data) sinnvolles Wissen zu gewinnen. Gegründet von den Technischen Universitäten Wien und Graz, der Medizinischen Universität Wien, der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und dem Austrian Institute of Technology (AIT) ist die Forschungseinrichtung in den vergangenen Jahren stark gewachsen, zu den vier Gründungsmitgliedern sind sechs weitere dazu gekommen. Als jüngstes Mitglied ist kürzlich die Universität für Bodenkultur (Boku) an Bord gegangen.

Rund ein Drittel der knapp 80 Mitarbeiter seien Doktoranden, etwas mehr als ein Drittel Post-Docs und der Rest Senior Scientists, erklärt CSH-Chef Stefan Thurner. Auf den derzeit zur Verfügung stehenden 700 Quadratmetern im Palais Strozzi, wo der CSH Untermieter des Instituts für Höhere Studien (IHS) ist, fänden sie kaum noch Platz. Daher übersiedelt die Einrichtung voraussichtlich im Spätsommer ins Palais Rothschild in der Metternichgasse.

Deutlich vergrößert

Bisher wurde das im Besitz der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) stehende, Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Gebäude von der Universität für Musik und Darstellende Kunst Wien genutzt. Derzeit würden in Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt Haus- und Elektrotechnik adaptiert und die ursprünglichen Raumstrukturen freigelegt.

Künftig stehen dem CSH dort mehr als 2.000 Quadratmeter zur Verfügung. Auch das im Vorjahr u.a. vom CSH und dem Wirtschaftsforschungsinstitut gegründete „Supply Chain Intelligence Institute Austria“ (ASCII) wird dort angesiedelt sein. Diese vom Komplexitätsforscher Peter Klimek geleitete Einrichtung widmet sich Fragen der Sicherheit und Verlässlichkeit von Lieferketten.

Das vergrößerte Platzangebot sei auch notwendig, weil „immer mehr Leute auch mit ihrem eigenen Geld an den CSH kommen wollen“, so Thurner. „Die wollen einfach da sein, weil – und das hören wir immer öfter – das der coolste Ort in Europa sein soll, wo man diese Art von Wissenschaft machen kann.“ Mittlerweile verfügt der Hub über ein Gesamtbudget über 5 Mio. Euro, Drittmittelförderungen machen davon mehr als zwei Drittel aus.

Neue Forschungsgruppen

Die Mitgliedschaft der Boku wird sich auch in einer neuen Gruppe niederschlagen, Projektvorschläge dafür seien derzeit in gemeinsamer Begutachtung, wobei die Themen von Stoffflüssen, Kreislaufwirtschaft, Mobilität bis zur Ernährung reichen. Abseits davon werden laut Thurner derzeit weitere neue Gruppen aufgebaut.

Ein Team will sich etwa dem Thema Migration widmen und anhand von Daten analysieren, wo Leute, die aus dem Ausland nach Österreich kommen, leben und wie viele Schulen, Krankenhäuser, Arbeitgeber etc. in der Nähe sind. „Über Pseudonyme können wir dann sehen, wie ihr Gesundheitsstatus, ihre Bildung, ihre Erwerbstätigkeit, ihre Wohnungssituation etc. ist, und zeigen, wo man effizient Verbesserungen erzielen kann“, so der CSH-Chef.

Mangelhafte Datenlage

Ein künftiger Wiederaufbau in der Ukraine ist Thema einer weiteren neuen Gruppe: „Es sind mittlerweile sehr viel Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich, die wissen, wie das Land funktioniert. Die Frage ist, wie bringt man diese in Verbindung mit Firmen, die später den Wiederaufbau unterstützen werden“, so Thurner. Mehr will man auch zu Kriminalitäts-Netzwerken forschen, von Drogenkartellen in Mexiko bis zur Kooperation von Kriminellen in Europa. „Das sind einzigartige Daten, wo man effektiv sieht, wie Homo sapiens zusammenarbeitet und sich organisiert“, so Thurner. Neu ist auch eine Mobilitätsgruppe, die in Städten in aller Welt Rahmenbedingungen für eine Mobilitätswende analysieren will.

„Fast alle unserer Themen sind sozial oder ökonomisch, während die Methoden alle naturwissenschaftlich sind“, sagte Thurner. Es sei das ein boomender Bereich, weil erstmals zahlreiche Daten darüber vorhanden sind. Für Österreich gilt das allerdings nur bedingt: Was öffentliche Daten betrifft, ist die Situation im Land „nach wie vor zum Teil fast eine Schande und muss verbessert werden“, plädiert Thurner für eine „nationale Datenstrategie“.