Blasse Nachtkerze (Wüstenpflanze) auf Wüstenboden
Jeremy Chan/University of Washington
Jeremy Chan/University of Washington
Bestäubung

Schadstoffe verändern Blütenduft

Luftverschmutzung lässt Blumen anders duften oder ihren Geruch schneller verschwinden. Das ist für Insekten fatal, wie ein US-Forschungsteam herausfand: Schmetterlinge finden deshalb nicht mehr zur Blüte.

Lärm, künstliches Licht und Luftverschmutzung setzen Tieren zu. Das gilt für Säugetiere und Vögel bis hin zu Insekten. Die Tiere werden mitunter aus ihrer gewohnten Umgebung vertrieben, können krank werden oder reagieren anders als gewohnt: Neue, fremde (Umwelt-)Reize können das Verhalten ändern.

Luftverschmutzung führt sogar so weit, dass Schmetterlinge, Bienen, Schwärmer und Fliegen aufs Bestäuben von Blumen und Blüten „vergessen“. Konkret: Die „Bestäuberinsekten“ können die Blüten nicht mehr finden. Denn Schadstoffe in der Luft verändern die flüchtigen Lockstoffe des Blütendufts oder zerstören sie. Dazu hat ein Team der Universität Washington, Seattle unter der Leitung von Jeremy Chan geforscht. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift „Science“ präsentiert.

Luftverschmutzung bremst Schmetterling

Ozon und vor allem Nitratradikale bauen die unterschiedlichen chemischen Verbindungen – flüchtige Aromastoffe – ab, die eine Blüte ausströmt. Nitratradikale kommen vor allem in konzentrierter Form in der Dämmerung und in der Nacht vor – gebildet aus Ozon und Stickstoff bei wenig oder nicht vorhandenem natürlichen Licht. Das war bekannt. Das Forschungsteam untersuchte nun, wie die Schadstoffe das nächtliche Bestäubungsverhalten von Schwärmern (Sphingidae), einer Schmetterlingsfamilie, veränderte – am Beispiel der Blassen Nachtkerze (Oenothera pallida), einer duftintensiven Wüstenpflanze, die viele bestäubende Insektenarten anzieht.

Nächtliche Bestäubung

Manduca (Schwärmer) bestäubt Blüte einer Nachtkerze

Geforscht wurde im Labor und in natürlicher Umgebung: Auf einem Feld mit 300 Nachtkerzen wurde 200 Stunden lang – davon 110 Stunden in der Nacht – aufgezeichnet, wie viele Schwärmer zu welchen Zeiten zu den Blüten kommen. Das Forschungsteam hat auch das Duftgemisch der Blüten analysiert – mittels Gas-Chromatographie. Mit dieser Methode kann ein Stoffgemisch in sehr geringe oder feine Substanzen aufgespalten werden.

Der Blütenduft der Nachtkerze enthält Monoterpene. Das sind sehr feine und flüchtige Aromen, die hauptsächlich in Nahrungspflanzen vorkommen – etwa in den Schalen von Orange, Zitrone und Grapefruit. Auf bestimmte Monoterpene reagiert der Schwärmer. Daran erkennt er die Blüten der Nachtkerze – mitunter über eine Distanz von mehreren Kilometern. Anders gesagt: Ohne die gewohnten Monoterpene wird die Nachtkerze für das Insekt unsichtbar.

Tabakschwärmer bei Bestäubung einer Blüte
Floris Van Breugel/University of Washington
Tabakschwärmer bei Blüte

Eine hohe Konzentration von Nitratradikalen in der Luft wirkt sich auf flüchtige Aromen aus. In Laborversuchen zeigte sich: Entweder verändert sich die Zusammensetzung der Blumenduftstoffe oder sie werden sehr rasch abgebaut. War das der Fall, gingen die Blütenbesuche des Schwärmers um 70 Prozent zurück, so die Studie. Mit Folgen für die Pflanzen: Keine Bestäubung bedeutet keine Fruchtbildung und das schädigt die Pflanze langfristig.

Der Einfluss von Luftverschmutzung auf das Bestäubungsverhalten des Schwärmers geht weit über den Feld- und Laborversuch in Washington hinaus. Das Forschungsteam hat errechnet, dass in vielen städtischen Gebieten weltweit die Luftverschmutzung durch Ozon und vor allem mit Nitratradikalen so groß ist, dass Bestäuberinsekten Blumen und Blüten nur mehr auf kurzen Distanzen wahrnehmen können.