Sandtigerhai ebenfalls bedroht
Tanya Houppermans
Tanya Houppermans
UNO-Bericht

Wandernde Tierarten zunehmend in Gefahr

Ob an Land, im Wasser oder in der Luft – etliche Tiere legen jedes Jahr Tausende Kilometer zurück, um frische Nahrung zu finden oder um sich fortzupflanzen. Laut einem neuen UNO-Bericht geraten viele der wandernden Arten zunehmend unter Druck: Etwa ein Fünftel ist vom Aussterben bedroht, vor allem bei Meerestieren ist die Situation kritisch.

Die jährliche Wanderung der Gnus in der Serengeti, der Aufbruch der Monarchfalter in wärmere Gebiete und auch die oft sehr mühsame Reise der Lachse zu ihren Laichplätzen sind faszinierende Naturschauspiele, die zunehmend mit menschengemachten Gefahren konfrontiert sind.

Um auf die kritischer werdende Lage vieler Tierarten aufmerksam zu machen, startete diese Woche die UNO-Konferenz zum Schutz wandernder Arten (COP 14) in Samarkand in Usbekistan. Unter dem Motto „Natur kennt keine Grenzen“ beraten dort Regierungsvertreter, Wissenschaftler und Naturschützer aus zahlreichen Staaten bis zum 17. Februar über die Herausforderungen für den Naturschutz und die wachsenden Bedrohungen für die Artenvielfalt.

Erstmals wissenschaftlich erhoben

Zum Auftakt des Treffens stellten Expertinnen und Experten vom Sekretariat des Übereinkommens zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten (CMS) einen neuen UNO-Bericht vor, in dem sie sich erstmals mit den Beständen der Zugvögel und den wandernden Land- und Meerestieren auseinandersetzten.

Der Bericht konzentriert sich auf knapp 1.200 Tierarten, die von den CMS-Vertragsparteien als schutzwürdig anerkannt wurden. Er enthält aber auch Informationen über 3.000 weitere wandernde Arten, die bei bisherigen Untersuchungen und Naturschutzbemühungen kaum berücksichtigt wurden.

Lage spitzt sich zu

Die Analyse von umfangreichen Datenbanken und früheren Erhebungen ergab, dass der Bestand bei 44 Prozent der vom CMS gelisteten wandernden Tierarten abnimmt – jede fünfte Art (22 Prozent) ist laut Bericht sogar bereits vom Aussterben bedroht. Dazu gehören zum Beispiel bestimmte Meerestiere wie der Seidenhai, Säugetiere wie die Saiga-Antilope und Vögel wie der auch in Österreich heimische Kiebitz.

Mongolische Saiga-Antilope ist vom Aussterben bedroht
WWF-Mongolia
Die mongolische Saiga-Antilope ist immer öfter mit menschengemachten Gefahren konfrontiert

In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Lage bei rund 70 der untersuchten Tierarten deutlich verschlechtert. „Im Vergleich dazu hat es im gleichen Zeitraum nur bei 14 Arten positive Fortschritte gegeben“, sagte die an der Arbeit maßgeblich beteiligte Naturschutzexpertin Kelly Malsch bei einer Präsentation des Berichts vor Journalisten und Journalistinnen. Kleine Fortschritte gab es etwa bei Buckelwalen und Seeadlern, deren Zahlen in den letzten Jahren wieder stiegen.

Die ansonsten jedoch besorgniserregenden Ergebnisse des UNO-Berichts machen laut Walsch jedenfalls deutlich, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen zum Schutz wandernder Arten nicht ausreichen, um den Tieren eine sichere Reise zu ihren Zielen zu gewährleisten.

Mensch stört Routen und Lebensräume

Als Gründe für den weltweiten Rückgang werden im Bericht vor allem menschliche Aktivitäten genannt wie die übermäßige Ausbeutung durch Jagd und Fischerei, die Zerstörung von Lebensräumen und auch die fortschreitenden Auswirkungen der Klimakrise.

„Straßen, Bauwerke oder der Schiffsverkehr versperren den Tieren zunehmend ihre lebensnotwendigen Wanderrouten – sie kommen also nicht mehr an ihre Fortpflanzungs- und Futterplätze. Hinzu kommen Belastungen durch die Klimakrise wie etwa Dürreperioden“, warnte auch die Meeresforscherin Simone Niedermüller in einer Aussendung des WWF Österreich. Da sich die Tiere an keine Landesgrenzen halten, sei es nötig, der wachsenden Problematik auf internationaler Ebene zu begegnen.

Jaguar (Panthera onca) walking into the water.
Ola Jennertsen
Auch der Jaguar zählt zu den bedrohten Tierarten, die regelmäßig größere Strecken zurücklegen

Fische besonders gefährdet

Von der COP 14 erhofft sich der WWF daher die Ausweitung und Verbindung von wichtigen Schutzgebieten, um sichere Korridore für die Wanderungen der Tiere zu gewährleisten. Besonders wichtig sei das bei Fischen. „Insgesamt 97 Prozent der vom CMS gelisteten Fischarten gelten weltweit als gefährdet“, sagte Walsch – darunter auch mehr als die Hälfte der im Mittelmeer vorkommenden Hai- und Rochenarten, die sogar vom Aussterben bedroht sind. „Die Ozeane gleichen einem tödlichen Labyrinth aus Schiffen, Fangnetzen und Plastikmüll“, kritisierte auch Niedermüller in der WWF-Aussendung. Um einen Kollaps der Meeresökosysteme zu verhindern, brauche es daher flächendeckende Schutzmaßnahmen.

Weitreichende Folgen

Generell werde der Einfluss, den wandernde Tierarten auf Ökosysteme haben, oft unterschätzt, so die Expertinnen und Experten im UNO-Bericht. Viele der bedrohten Tiere sind etwa wichtige Bestäuber, andere liefern große Nährstoffmengen von einer Region in die nächste, und manche Tiere tragen auch zur Speicherung von Kohlenstoff bei. Außerdem halten sie viele Ökosysteme im Gleichgewicht, indem sie sich auf ihren Reisen unter anderem von Schädlingen ernähren.

„Noch nicht zu spät“

Auch, wenn die Ergebnisse des UNO-Berichts alarmierend sind, ist es laut Walsch noch nicht zu spät, um dagegen vorzugehen. „Wir müssen aber jetzt sofort handeln“, sagte die Expertin. Nationale Bemühungen seien jedoch zu wenig, um die Lage nachhaltig zu bessern. Für den effektiven Schutz der wandernden Tierarten sei die Weltgemeinschaft gefragt, so schnell wie möglich nachhaltige Konzepte zu erarbeiten.