Erdbeere auf einem Erdbeerfeld
APA/dpa/Marcel Kusch
APA/dpa/Marcel Kusch
„Ewigkeitschemikalien“

Heimisches Obst und Gemüse zunehmend belastet

Auf einem Viertel aller Obst- und Gemüsesorten aus Österreich finden sich mittlerweile „Ewigkeitschemikalien“ – so werden Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) oft bezeichnet. Darauf weist die Umweltschutzorganisation Global 2000 in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht hin. Gefordert wird darin vor allem das Verbot der besonders langlebigen und gesundheitsschädlichen Substanzen als Bestandteil von Pestiziden.

Auf sieben von zehn österreichischen Erdbeeren und fast jedem vierten heimischen Apfel sind mittlerweile Pestizidrückstände aus der Gruppe der PFAS zu finden. Das geht aus dem neuen Bericht hervor, den das Europäische Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN Europe) gemeinsam mit Global 2000 veröffentlichte.

Die beteiligten Expertinnen und Experten analysierten über 270.000 Datensätze des EU-Pestizidmonitorings über einen Zeitraum von zehn Jahren (2011 bis 2021). Dabei konnten sie aufzeigen, dass europaweit mehr und mehr Obst und Gemüse PFAS-Rückstände aufweist. „Wir haben festgestellt, dass sich die Belastung in der EU in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht hat“, sagte der Umweltchemiker Helmut Burtscher-Schaden von Global 2000 gegenüber science.ORF.at.

Langlebige Pestizidbestandteile

Eigentlich kennt man PFAS-Chemikalien vorrangig aus der Industrie, wo sie unter anderem Kleidung und Pfannen eine wasser-, fett- oder schmutzabweisende Wirkung verleihen. Sie sind besonders langlebig und deshalb gemeinhin als „Ewigkeitschemikalien“ bekannt. Dass sie mittlerweile vermehrt in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, ist laut dem Bericht mit dem Titel „Giftige Ernte“ sogar in der Forschung erst seit Kurzem bekannt.

Als Bestandteil von Pestiziden sorgen PFAS-Chemikalien unter anderem dafür, dass sie länger wirken und Schädlinge so effektiver abwehren. Einmal in der Umwelt, wird man sie aber fast nicht mehr los. Rückstände der Substanzen sammeln sich nicht nur in der Natur an, über die Nahrung gelangen sie auch in den menschlichen Körper. Dort können sie zu gesundheitlichen Problemen führen. Frühere Untersuchungen brachten sie unter anderem mit hormonellen Störungen, Risiken für Föten, beeinträchtigten Immunsystemen und einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung.

Negativer Spitzenreiter Österreich

In Österreich war der seit 2011 gemessene Anstieg an PFAS-Rückständen auf Obst und Gemüse besonders groß. Mit einem Zuwachs um das Siebenfache bei Obst und um das 33-fache bei Gemüse nimmt Österreich damit den negativen Spitzenplatz in der EU ein. „Das liegt vermutlich auch daran, dass die frühere Belastung heimischer Lebensmittel sehr gering war“, so der Umweltchemiker. Auch in absoluten Zahlen liegt Österreich mit einer Belastung von 25 Prozent aber mittlerweile unter den Top Drei. Nur die Niederlande und Belgien wiesen mit 27 Prozent noch mehr belastetes Obst und Gemüse auf.

Trotz Verbotes zugelassen

Im Rahmen des European Green Deal verpflichtete sich die Europäische Union, PFAS-Chemikalien im Einklang mit ihrem Ziel einer schadstofffreien Umwelt schrittweise zu verbieten. Im Februar 2023 veröffentlichte die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) einen Vorschlag für ein Verbot der Herstellung, der Verwendung und der Einfuhr von mindestens 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen.

Nicht erfasst von diesem Vorschlag sind laut dem aktuellen Bericht allerdings jene 37 derzeit in der EU zugelassenen Pestizidwirkstoffe, die von der ECHA als PFAS eingestuft wurden. Ihre Zulassung wird zwar im Rahmen der EU-Pestizidverordnung geregelt, umfassende Verbote blieben in dem Bereich bis heute aber aus.

„Pestizidinhalte besser zeigen“

Dass „Ewigkeitschemikalien“ über den Pestizideinsatz vorsätzlich in die Umwelt und in die Lebensmittel eingebracht werden, ist laut Burtscher-Schaden jedenfalls inakzeptabel. „PFAS-Pestizide müssen verboten werden“, so die Forderung des Umweltchemikers. Eine Überarbeitung der EU-Pestizidverordnung sei notwendig. „Die Kombination aus toxisch und persistent wie eben bei den PFAS-Stoffen in Pestiziden sollte ein klarer Ausschließungsgrund sein.“

Die Bäuerinnen und Bauern treffe am Anstieg der PFAS-Rückstände jedoch keine Schuld – ihnen ist laut dem Experten nur selten bewusst, dass in ihren Spritzmitteln überhaupt PFAS enthalten sind. Es brauche daher auch klarere Inhaltshinweise auf den Produkten, um das ungewollte Verbreiten der „Ewigkeitschemikalien“ schon jetzt zu verhindern.

Regelung in Arbeit

Umfassende Verbote seien dennoch unabdingbar. Auf Anfrage beim Umweltbundesamt hieß es, dass an entsprechenden Gesetzen bereits gearbeitet wird. Die EU-Chemikalienagentur sei etwa gerade dabei, ein generelles, umfassendes Verbot aller erfassbaren „Ewigkeitschemikalien“ auszuarbeiten – darunter auch jene, die als Pestizidbestandteile auf den europäischen Obst- und Gemüsefeldern verteilt werden. Gleichtzeitig wird aber auch diskutiert, ob es für PFAS-Pestizide nicht vielleicht doch eine Ausnahme geben wird.

Kritik an Untersuchung

Bei der AGES stößt der Bericht „Giftige Ernte“ hingegen auf Kritik. In einer Presseaussendung wies man darauf hin, dass es sich bei den von Global 2000 als PFAS-Pestizide bezeichneten Substanzen „nicht um PFAS im Sinne von polyfluorierten Alkylverbindungen handelt“. Die AGES meint, dass im Bericht Substanzen erhoben wurden, die zwar die weit gefasste PFAS-Definition treffen, aber im Vergleich zu polyfluorierten Alkylverbindungen „relativ gut abbaubar“ seien.

Global 2000 sieht das ganz anders. Die Behauptung, dass die PFAS-Bestandteile in Pestiziden gut abbaubar sind, sei „in hohem Maße irreführend“, heißt es in einer Reaktion auf die Aussendung der AGES. Weiters wird darin erklärt: „Der vermeintliche ‚Abbau‘ dieser PFAS-Pestizide führt zur Entstehung von sehr stabilen und problematischen PFAS-Metaboliten, wie etwa der Trifluoressigsäure (TFA), einer ultra-kurzkettigen Ewigkeitschemikalie.“

Die AGES kritisierte außerdem, dass der im Bericht gemessene Anstieg an PFAS-Rückständen mitunter damit zusammenhängen könnte, dass Labore inzwischen genauere Untersuchungen mit niedrigeren Bestimmungsgrenzen durchführen und so quantitativ mehr Rückstände nachweisen können. Auch das weist Global 2000 von sich: „In die Auswertung flossen nur PFAS-Belastungen ein, die größer oder gleich der in der EU gebräuchlichen Bestimmungsgrenze von 0,01 mg/kg sind. Verzerrungen durch veränderte Bestimmungsgrenzen (oder Nachweisgrenzen) wurden damit weitgehend ausgeschlossen.“