Modell des menschlichen Gehirns
APA/dpa/Ingo Wagner
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Orientierung

Gehirnzellen bauen individuelle Landkarten

Wer ins Badezimmer oder zur Bushaltestelle geht, tut das mit einer Landkarte – nicht in der Hand, sondern im Gehirn. Wie unterschiedliche Gehirnzellen dabei kommunizieren, wurde nun erstmals aufgezeichnet: mit Hilfe einer Maus auf einem Laufband.

Wie wir uns in gewohnter Umgebung zurecht finden, hat – vereinfacht gesagt – mit dem Hippocampus zu tun und bestimmten Gehirnzellen, den Ortszellen. Der Hippocampus nimmt Inhalte auf, speichert sie und ruft sie bei Bedarf ab. Ortszellen helfen uns zu wissen, wo wir uns befinden. Dabei werden unterschiedliche Zellen aktiviert, je nachdem, wo wir uns befinden: Für den Weg ins Badezimmer sind andere zuständig als für zum Beispiel die Umgebung am Arbeitsplatz. Das Zusammenspiel von Hippocampus und Ortszellen erstellt im Gehirn quasi eine (Land-)Karte von der jeweiligen Umgebung. Soweit war das bekannt.

Ein Forschungsteam des Baylor College of Medicine in Houston erforschte an Mäusen, was Orientierung ausmacht. Die Antwort: das sichtbare Zusammenspiel der Endocannabinoide. Das sind fettähnliche Botenstoffe, die entsprechende Ortszellen aktivieren und dafür sorgen, dass unterschiedliche Gehirnzellen miteinander „kommunizieren“. Die Studie dazu wurde nun im Fachjournal „Science“ veröffentlicht.

Maus auf dem Band

Für den Versuch brauchte es neben der Maus auf einem Laufband ein spezielles Mikroskop, um das Gehirn der Maus abzubilden. Die Endocannabinoid-Signale, die bei Bewegung im Gehirn ablaufen, wurden mittels Fluoreszenz sichtbar gemacht.

„Bisher ist detailliert beschrieben worden, wie Endocannabinoide im Gehirn wirken. In dieser Studie hatten wir zum ersten Mal die Möglichkeit, diese Signale mit einem lebenden Tier aufzuzeichnen“, so einer der Studienautoren, der Neurologe Barna Dudok. „Zu sehen, wie es tatsächlich im Gehirn eines aktiven Tieres passiert, war sehr aufregend.“

Sekundenschnelles Signal mit großer Wirkung

Dabei stellte sich heraus, dass freigesetzte Endocannabinoid-Signale sehr kurzlebig waren und sehr speziell abgestimmt. „Es scheint, dass es sich um ein sekundenschnelles Signal handelt, das sehr spezifisch für einzelne Zellen ist und zu seiner Fähigkeit beiträgt, Informationen über den Standort des Tieres zu kodieren“, so Dudok. Wurden die Signale in den Nervenzellen absichtlich gestört, dann funktionierte auch der Hippocampus nicht mehr genau und die Maus hatte Orientierungsschwierigkeiten.

Das Ergebnis dieser Studie könnte künftig Menschen mit Epilepsie helfen, ist das Forschungsteam zuversichtlich. Bei einem epileptischen Anfall werden Endocannabinoide freigesetzt. Wenn sich die Abfolge der Endocannabinoide beeinflussen ließe, könnten vielleicht Krankheiten gemildert werden, die mit Epilepsie einhergehen, so Dudok.