Pflanzen im Vordergrund, dahinter eine untergehende Sonne
Getty Images/EyeEm/Martina Wastian
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Klimaplan

Österreich kann EU-Klimaziele „klar erreichen“

Weil der Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) des Umweltministeriums die EU-Vorgaben zur Reduktion der CO2-Emissionen nicht erfüllt, ist öffentlich zu Verbesserungsvorschlägen aufgerufen worden. Nun liegt der Bericht zu den eingereichten Maßnahmen vor: Österreich könne damit seine Klimaziele „klar erreichen“.

Ein Team von 55 Forschenden um das Climate Change Center Austria (CCCA) bewertete die eingereichten Maßnahmen. Diese „bieten eine gute Basis, um die Lücke der Emissionsreduktion zu schließen“, sagte der Klimaforscher Karl Steininger von der Universität Graz am Mittwoch bei einem Medientermin in Wien.

„Eine breite Palette hoch empfehlenswerter weiterer Maßnahmen liegt nun bewertet auf dem Tisch“, so Steininger, der am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Uni Graz forscht: „Mit der Umsetzung eines ausreichend großen Anteils daraus kann Österreich seine Klimaziele klar erreichen.“

Temporeduktion auf 100, 80 und 30

Unter den Maßnahmen findet sich etwa eine Temporeduktion auf Österreichs Straßen auf 100, 80 und 30 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen, Freilandstraßen und im Ortsgebiet, die die Wissenschaftler als hocheffektiv einordneten. Damit wäre nicht nur eine formidable Reduktion der Treibhausgasemissionen aus dem Verkehr möglich, sondern es gäbe auch um 28 Prozent weniger Verkehrstote, so die Prognose.

Ein verstärkter Ausbau der Stromerzeugung durch Sonnen- und Windenergie wäre ebenfalls sehr wirksam, so wie eine Dekarbonisierung der Fernwärme, berichtete Keywan Riahi vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg (NÖ).

Ernährung: Mehr Pflanzen, weniger Tiere

Bei der Müllverbrennung sollte man das entstehende CO2 „einfangen“ und speichern, in Gebäuden öfter Wärmepumpen einbauen und die Heizungen, Lüftungen und Klimaanlagen vermehrt mit erneuerbarer Energie versorgen. Im Bauwesen könnte man wiederum Emissionen reduzieren, indem die Materialien mit höherer Rate zurückgewonnen, also recycelt werden.

Auch bei der Land- und Forstwirtschaft sowie Ernährung gibt es viele als wirksam eingestufte Ansätze, sagte die österreichische Meteorologin und Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb: Man sollte die Biolandwirtschaft ausweiten, Lebensmittelabfälle reduzieren und sich nachhaltiger ernähren, indem mehr pflanzenbasierte und weniger tierische Produkte verzehrt werden.

Manches bei Bevölkerung „nicht sehr populär“

Manche der vorgeschlagenen Maßnahmen wie etwa die Temporeduktion im Straßenverkehr seien bei der Bevölkerung allerdings nicht sehr populär, sagte Benjamin Schemel vom Institut für ökologische Ökonomie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien.

Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup gebe es eine „sehr starke Resistenz“ gegen Temporeduktionen im Straßenverkehr und ebenso gegenüber einem Ende von Neuzulassungen bei Verbrennungsmotoren. Ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Radwege würde aber mehrheitlich begrüßt. Auch die Abkehr von fossilen Brennstoffen sowie der Ausbau der Stromnetzinfrastruktur und von erneuerbaren Energien fänden viele Befürworter.

Global 2000: „Parteipolitisches Hickhack beenden“

NGOs begrüßten in Presseaussendungen die wissenschaftliche Bewertung der vorgelegten Konzepte. „Sie zeigen klar, mit welchen prioritären Maßnahmen wir ans Ziel kommen können, man hat damit eine solide Grundlage für die weitere Ausarbeitung des Nationalen Energie- und Klimaplans geschaffen“, so Johannes Wahlmüller von Global 2000. Man solle „das parteipolitische Hickhack um den Entwurf beenden“ und einen wirksamen Plan vorlegen.

„Mit der CCCA-Bewertung ist die Grundlage für eine wissenschaftsbasierte Klimapolitik gelegt, wie sie auch dem Pariser Klimavertrag entspricht“, so Karl Schellmann von WWF Österreich. Um die Lücke in den Reduktionszielen im Klimaplan zu schließen, müsse die Bundesregierung die finale Version zumindest um die aktuell vorgeschlagenen Maßnahmen der Wissenschaft ergänzen.

„Mit der heutigen Bewertung hat die österreichische Regierung eine detaillierte Anleitung, auf welche Klimaschutzmaßnahmen sie am besten setzen kann, um die EU-Klimaziele zu erreichen“, so Jasmin Duregger von Greenpeace: „Das einzig Richtige ist es nun, auf die Wissenschaft zu hören, die notwendigen Maßnahmen im Klimaschutzplan zu verankern und schnellstmöglich nach Brüssel zu schicken.“

Für alle EU-Staaten verbindlich

Der NEKP ist für alle Staaten der EU verbindlich. Darin müssen sie darlegen, wie sie die EU-Energie- und Klimaziele erreichen wollen. Er muss bis Juni 2024 fertiggestellt und an die EU-Kommission übermittelt werden. Mit den aktuell darin vorgeschlagenen Maßnahmen werden laut Berechnungen des Umweltbundesamtes die EU-Zielvorgaben nicht erreicht.

Statt 48 Prozent weniger Treibhausgasausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2005 würden nur 35 Prozent erreicht. Deshalb wurde im Sommer eine „öffentliche Konsultation“ gestartet. Politische Parteien, Interessenverbände, Ministerien, Bundesländer, Forschende und NGOs waren eingeladen, ihre Ideen einzubringen, wie die vorgegebene Reduktion erreicht werden könnte. Der Entwurf wurde ihnen Anfang Juli 2023 vorgelegt, sie konnten bis Ende August dazu schriftlich Stellung nehmen.

Ein Team von 55 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern rund um das CCCA hat die vorgeschlagenen Maßnahmen in dem vorliegenden Bericht (PDF) bewertet. Sie sind von 100 Institutionen „von A wie Amt der Burgenländischen Landesregierung bis W wie Wirtschaftskammer Österreich“ vorgeschlagen worden, heißt es darin. Sie lieferten 1.408 mögliche Maßnahmen aus verschiedensten Bereichen wie Verkehr, Energie und Industrie, Gebäude, Land- und Forstwirtschaft sowie Abfall- und Kreislaufwirtschaft.