Erdzeitalter

Fachgremium stimmt gegen Anthropozän

Die offizielle Anerkennung des Menschenzeitalters, des Anthropozäns, als neue Epoche der Erdgeschichte scheint erst einmal vom Tisch zu sein. Das zuständige Expertengremium, die „Subcommission on Quaternary Stratigraphy“ (SQS), stimmte gegen den Vorschlag.

Das bestätigt der Experte Reinhold Leinfelder der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe Anthropozän (AWG), die hinter dem Vorstoß steht, offiziell das Erdzeitalter des Menschen auszurufen.

Gründe für die Ablehnung seien ihm nicht bekannt, sagte Leinfelder. Zunächst hatten andere Medien über die Abstimmung berichtet. Die AWG äußerte wegen möglicher Verfahrensfehler Vorbehalte zur Gültigkeit des Ergebnisses, das laut „New York Times"("NYT“) mit 12 zu 4 bei mehreren Enthaltungen und nicht abgegebenen Stimmen recht deutlich ausfiel.

Umstrittener Startpunkt

Grundsätzlich ist sich die Fachwelt weitgehend einig, dass der Mensch die Erde in vergleichsweise kurzer Zeit extrem verändert hat. Einige SQS-Experten taten sich laut „NYT“ aber unter anderem mit dem von der AWG vorgeschlagenem relativ späten Startpunkt des Anthropozäns schwer. So schlugen Leinfelder und seine Kolleginnen und Kollegen ein Jahr um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts vor. Als Referenz für den Start des sogenannten Anthropozäns sollte demnach eine Sedimentabfolge aus einem kleinen See in Kanada dienen. Konkret favorisierten die AWG-Forscher eine Sedimentlage aus dem Jahr 1950.

Geologische Indizien

Den Beginn des Menschenzeitalters machen die Experten an sogenannten Geomarkern fest, allen voran radioaktiven Niederschlägen von Atomwaffen-Tests nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese Plutonium-Isotope sind weltweit nachweisbar. Der Beginn der Industrialisierung hingegen, ein anderer denkbarer Start des Anthropozäns, ist in manchen Regionen kaum geologisch feststellbar, da sich diese Entwicklung zunächst auf bestimmte Teile der Welt wie Europa und die USA konzentrierte.

Geologen teilen die Erdgeschichte in verschiedene Zeitalter ein. Demnach leben wir derzeit im Holozän, das vor knapp 12.000 Jahren begann. Da die Menschheit aber zuletzt die Erde – unter anderem durch den Ausstoß von Treibhausgasen und die Zerstörung von Ökosystemen – massiv verändert hat, sehen Experten verschiedener Fachrichtungen das Zeitalter des Menschen angebrochen. Es gibt dazu aber durchaus kontroverse Diskussionen.

Anerkennung fehlt

Der Begriff Anthropozän wird zwar bereits verwendet, um den immensen Einfluss der Menschheit auf die Erde zu betonen. Bisher ist die Epoche aber nicht nach geologischen Maßstäben definiert und offiziell anerkannt.

Dazu wären mehrere Schritte notwendig. Zunächst hätte die SQS zustimmen müssen, danach die Internationale Kommission für Stratigraphie (ICS) und schließlich das Exekutivkomitee der International Union of Geological Sciences (IUGS).

Lange Diskussion

Eingeführt hatte den Begriff Anthropozän der niederländische Meteorologe Paul Crutzen. Der Nobelpreisträger und frühere Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz schlug den Begriff bei einer Konferenz im Jahr 2000 vor.

Die AWG äußerte sich in einer Mitteilung sehr zurückhaltend zum Ergebnis der SQS-Abstimmung. So seien die Ergebnisse ohne die Genehmigung des SQS-Vorsitzenden veröffentlicht worden. Es blieben zudem Fragen offen in Bezug auf die Gültigkeit der Abstimmung und deren Begleitumstände. Man stehe weiterhin voll hinter dem eigenen Vorschlag, teilte die AWG mit.