ARE Ost, Paulustorgasse, Deloitte, Graz
Stephan Huger
Stephan Huger
Bundesimmobilien

Forschungen zu NS-Vergangenheit starten

Eine ehemalige Gestapo-Zentrale, ein Deportationsort und ein Gefängnis: Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) stellt sich die Frage, ob das NS-Regime in ihren Gebäuden Verbrechen begangen hat. Bei 80 Objekten wird das nun in einem Pilotprojekt untersucht.

Die Bundesimmobiliengesellschaft, kurz BIG, möchte in einem Pilotprojekt die ersten 80 Gebäude in ihrem Bestand auf eine NS-Vergangenheit hin überprüfen lassen. Darunter befindet sich auch die ehemalige Wiener Postsparkasse im Ersten Bezirk in Wien oder eine Dienststelle der Landespolizeidirektion Steiermark in Graz.

Gestapo-Zentrale in Grazer Polizeidienstelle

Bei der Polizeidienststelle in der Grazer Paulustorgasse weiß man bereits, dass hier die Gestapo ihre Zentrale hatte und auch ein Gefängnis betrieb, das noch heute in fast unveränderter Form vorhanden sei, erklärt Barbara Stelzl-Marx, Institutsleiterin vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgenforschung. Sie leitet das Pilotprojekt zur Aufarbeitung der BIG-Liegenschaften.

Das Gefängnis in der Paulustorgasse stehe für einen Ort des Schreckens, wo Zehntausende Menschen in der NS-Zeit inhaftiert und viele gefoltert worden seien. Heute gebe es dort zwar eine kleine Gedenktafel, doch die müsse man „mit der Lupe suchen“, so Stelzl-Marx.

Aufarbeitung unterschiedlich weit

Im Rahmen des Pilotprojekts werde auch bei den bereits bekannten Gebäuden mit NS-Vergangenheit eine detaillierte Aufarbeitung betrieben. Dazu werde man zahlreiche Archive aufsuchen, und – wenn möglich – auch Zeitzeugen befragen.

Amtsgebäude in Schwechat
Stephan Huger | Studio Huger
Schloss Altkettenhof in Schwechat

Beim prominenten Postsparkassengebäude vom Architekten Otto Wagner in Wien wird im Rahmen des Projekts untersucht, welche NS-Größen sich hier warum aufgehalten haben. Das Schloss Altkettenhof in Schwechat war ab 1938 eine Reichsschulungsburg und während des Zweiten Weltkriegs ein Lazarett. Manche Immobilien, wie etwa die Brückenkopfgebäude in Linz, seien bereits historisch aufgearbeitet worden.

Kriterienkatalog für Gebäude in Ausarbeitung

Bei vielen anderen der insgesamt 2.000 Gebäude der BIG wisse man noch gar nicht, ob und wie sie in der NS-Zeit für verbrecherische Taten genutzt wurden, so Hans-Peter Weiss, CEO der BIG.

Teil der Pilotstudie sei es deshalb auch, eine Vorgehensweise zu finden, anhand derer durch die NS-Zeit belastete Objekte aus dem Immobilienportfolio der BIG systematisch identifiziert werden können. Bei den jüngeren Gebäuden müsse man eine mögliche Vornutzung in Betracht ziehen. Der größte Teil der Gebäude sei aber älter und sei noch nie auf eine NS-Belastung untersucht worden.

Erste Ergebnisse 2025 erwartet

75.000 Euro stehen für die Pilotphase zur Verfügung, im Gedenkjahr 2025 will man erste Ergebnisse vorlegen. Langfristiges Ziel sei es, die Geschichte aller 2.000 Gebäude aufzuarbeiten und zeitgemäße Vermittlungsstrategien vor Ort zu entwickeln. Die BIG plant zusätzlich eine populärwissenschaftliche Buchpublikation, die sich an eine breite Leserschaft richten soll, sowie ein Symposium zur NS-Vergangenheit ihrer Liegenschaften.