Ameisen unter dem Mikroskop
APA/dpa/Andreas Arnold
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Lebensmittel

Ameisen schmecken nach Karamell und Essig

Insekten sind mittlerweile Teil der Lebensmittelproduktion. Sie sind nährstoffreich und haben eine gute Klimabilanz. Ein US-Forschungsteam untersuchte nun das Aroma von Ameisen – mit dem Ergebnis: Je nach Art reicht ihr Geschmack von Nuss und Karamell bis zu Essig und Urin.

„Sie können sehr vielfältig und interessant schmecken. Verwendet man sie, gibt es mehr kulinarische Möglichkeiten", sagt Changqi Liu und meint: Ameisen. Er lehrt Lebensmittelwissenschaft an der San Diego State University, Kalifornien, und spricht aus Erfahrung.

Während eines Studienaufenthalts in Mexiko standen Ameisen auf Changqi Lius Speiseplan. Später, in den USA als Professor, hat er die Aromen von vier essbaren Ameisenarten untersucht: Chicatana (Atta mexicana), Schwarze Wegameise (Lasius niger), stachelige Ameise (Polyrhachis) und Weberameise (Oecophylla). Die Ergebnisse wurden auf der Frühjahrstagung der American Chemical Society (ACS) in Washington präsentiert.

Um Duft und Geschmack der Ameisen zu identifizieren, setzte das Forschungsteam Gaschromatographie-Massenspektrometrie ein. Das ist, vereinfacht gesagt, eine Methode, um organische chemische Verbindungen zu analysieren. Dabei wurden Säuren, Pheromone und Flüssigkeiten bestimmt, die das charaktistische Aroma jeder Art ausmachen.

Aromen verstärken und beseitigen

Sauer und nach Essig schmeckt die Schwarze Wegameise. Das erklärt sich durch ihren hohen Anteil an Ameisensäure, einer farblose Methansäure aus den Giftdrüsen. Der Ameise dient das Sekret zur Verteidigung, in der Kulinarik ist es bereits als Würze bekannt.

Ameisensäure fehlt der Chicatana. Diese Art hat stattdessen bestimmte Pheromone: Botenstoffe, die an Nuss, Holz und Fett erinnern. Das macht sie zu einem beliebten Snack vor allem in Mexiko. Die Weberameise wiederum vereint, nach menschlichem Geschmack, widersprüchliche Noten: Karamell, Nuss, Heu und Urin.

Klingt schräg? Vielleicht. Aber dieses Wissen hilft der Lebensmittelindustrie, ist Changqi Liu überzeugt: „Weiß man mehr über die Geschmacksrichtungen essbarer Insekten, können erwünschte Geschmacksrichtungen verstärkt, unerwünschte beseitigt werden.“ So ließen sich ansprechende Produkte auf Insektenbasis herstellen und Vorbehalte bei Konsumentinnen und Konsumenten abbauen.

Wurmburger und Käferpizza in Europa erlaubt

Die Ameise ist eine von etwa 2.100 essbaren Insektenarten weltweit. Für zwei Milliarden Menschen, vor allem in Lateinamerika, in Afrika und in Teilen Asiens, sind Insekten normaler Bestandteil der Ernährung – in ganzer Form gekocht, geröstet und gegrillt oder als Zutat zum Würzen.

In Europa ist Essen von Insekten (noch) kein Massenphänomen. Ekel spielt wohl eine Rolle. Aber: Die Tiere kommen bereits in bestimmten Lebensmitteln vor – als Pulver oder Paste. Nudeln, Pizza, Backmischungen, Müsliriegel oder Schokolade, Kaugummi und Joghurt sowie Burgerpattys können gezüchtete Insekten enthalten. Mehlwurm, Europäische Wanderheuschrecke, Hausgrille und Glänzendschwarzer Getreideschimmelkäfer sind in der Europäischen Union zugelassen. Die Verwendung muss ausgeschildert werden.

Kleine Tiere, große Hoffnung

Bereits 2013 forderte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), mehr in die Zucht von Speiseinsekten zu investieren. Die Weltbevölkerung wächst und damit das Problem der Ernährungssicherheit. Insekten könnten die Lösung sein: Sie sind leichter in sehr großen Mengen zu züchten. Die Klimabilanz fällt gut aus und Insekten haben viele Nährstoffe – Eiweiß, Omega-3-Fettsäuren und B-Vitamine sowie die Mineralstoffe Kupfer, Eisen, Magnesium, Mangan, Selen und Zink.

Vorsicht heißt es allerdings für Menschen, die auf Krebse, Muscheln, Hummer und Krabben allergisch reagieren. Ähnliche Reaktionen können auch beim Essen von Insekten(-Produkten) auftreten. Ursache ist Tropomyosin, ein Muskelprotein, das Allergien auslösen kann. Tropomyosin ist in Krebs- und Schalentieren sowie Insekten enthalten.

In einigen europäischen Ländern gibt es bereits kommerzielle Insektenfarmen. In Belgien, in Frankreich und in den Niederlanden etwa werden Speiseinsekten gezüchtet. In Irland, Spanien und auch in Österreich gibt es Insektenfarmen, die Futtermittel und Dünger produzieren. Eine der größten Europas steht in Wels im Hausruckviertel (OÖ): Hier wird eine spezielle Fliegenart gezüchtet. Die Maden verarbeiten zuerst Tonnen von Essensabfällen und Speiseresten zu Dünger. Danach werden die Tiere zu Futtermittel oder zu Bestandteilen für Kosmetikartikel weiterverarbeitet.