Europäische Wildkatze
WildMedia – stock.adobe.com
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Sichtungen

Comeback der Wildkatze in Österreich

Seit den 1950er Jahren gilt die Wildkatze in Österreich offiziell als ausgestorben bzw. verschollen. Nun wird sie aber seit einigen Jahren immer wieder in ganz Österreich gesichtet, in den vergangenen Wochen sogar regelmäßig. Ob es sich dabei um zugezogene Tiere handelt oder ob die Wildkatze nie ganz weg war, ist unklar.

Im Dezember 2003 ging der Naturfotograf Dieter Manhart bei Dämmerung im Bezirk Gmünd spazieren – da huschte vor ihm eine Katze auf einen Baum. Manhart gelangen einige Bilder. Der buschige Schweif mit den abgesetzten, schwarzen Streifen war auffällig – es ist eines der deutlichsten Merkmale, die eine Wildkatze von einer gewöhnlichen Hauskatze unterscheiden.

Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Mayrs Magazin: 22.03., 18:30, ORF 2, Beitrag auf ORF ON.

Die Fotos machten unter Fachleuten schnell die Runde, handelte es sich hier schließlich um ein offiziell ausgestorbenes Tier. Bald war klar: Es war tatsächlich eine Wildkatze. Ernüchterung über ihre Rückkehr stellte sich aber schnell ein, da ein deutscher Experte meinte, hier handle es sich nur um einen Einzelgänger, der aus einem deutschen Auswilderungsprojekt stammt und sich wohl auf den Weg nach Österreich gemacht hat.

Nachweise aus ganz Österreich

2007 wurde die Wildkatze auch im Nationalpark Thayatal nachgewiesen, zwei Jahre später eine Meldestelle vom Naturschutzbund eingerichtet. Seither werden Menschen aktiv dazu aufgefordert, Fotos, Videos und andere Nachweise über Wildkatzen einzusenden. Auf der Website wird auch erklärt, wie sich Wildkatzen von Hauskatzen unterscheiden.

Wildkamera Deutschlandsberg
BJM Johann Silberschneider
Aufnahme der Wildtierkamera in Deutschlandsberg

Die Bemühungen, die nun seit rund fünfzehn Jahren betrieben werden, tragen Früchte: Immer mehr Meldungen aus ganz Österreich gingen ein, seit einigen Wochen häufen sie sich. Neben regelmäßigen Sichtungen im Nationalpark Thayatal sind auch in Vorarlberg, Osttirol und Salzburg Exemplare aufgetaucht. Der jüngste Fotobeweis stammt von Anfang März aus dem steirischen Deutschlandsberg.

Immer mehr DNA-Beweise

Die vermehrten Sichtungen könnten darauf zurückzuführen sein, dass es schlicht mehr Wildtierkameras gibt, die meist von Jägern und Jägerinnen aufgestellt werden. Da die Wildkatze eher in der Dämmerung und in der Nacht aktiv ist und sie Hauskatzen sehr ähnelt, sind Foto- und Videobeweise aber nur bedingt aussagekräftig. Doch es gibt auch mehr direkte DNA-Nachweise.

In den vergangenen Jahren haben Forscher auch Lockstoffe ausprobiert, Baldrian habe sich dabei am tauglichsten erwiesen, so Christian Übl, Direktor des Nationalparks Thayatal und Leiter des dortigen Wildkatzenprojekts: „Wir arbeiten mit sogenannten Lockstäben, das sind grob gesägte Holzstäbe, die wir mit Baldrian präparieren. Die Wildkatzen lieben ihn und suchen diese Stäbe gezielt auf, sie reiben sich daran und hinterlassen so Haare, die wir im Anschluss genetisch untersuchen können. Foto- oder Videokameras stellen wir meist zusätzlich auf.“

Theorien über Aussterben

Früher war die Wildkatze weit verbreitet. Sie überstand mehrere Eiszeiten und bevölkerte Europa schon mindestens 400.000 Jahre, bevor der Mensch vor rund 10.000 Jahren Hauskatzen domestizierte. Doch im 19. Jahrhundert wurde die Wildkatze – wie auch Wolf und Luchs – zum Feindbild erklärt. So kursierten etwa Gerüchte, sie könne sogar Rehkitze erlegen, obwohl sich die scheue Katze, die zurückgezogen im Wald lebt, am liebsten von Mäusen ernährt. Es könnten jedoch auch Krankheiten zu ihrem Aussterben in Österreich geführt haben.

„Sie ist ein Phantom“

Die Wildkatzenforschung steht nun vor der großen Frage, ob es nun tatsächlich mehr Wildkatzen gibt, oder die intensive Suche nach ihr mehr Nachweise bringt. Weiter ist zu klären, ob es sich um einheimische Tiere handelt, die sich wieder verstärkt vermehren, oder ob sie aus anderen Ländern nach Österreich gekommen sind.

Wildkamera Deutschlandsberg
BJM Johann Silberschneider
Aufnahme der Wildtierkamera in Deutschlandsberg

Übl glaubt, dass die Wildkatze nie ausgestorben war: „Sie ist ein Phantom, manchmal da, manchmal weg. Es waren immer wieder Tiere unterwegs und es herrschte die Meinung vor, dass es sich um Zu- oder Durchzügler auf Wanderschaft handelt. Ich persönlich vermute, dass immer irgendwo kleine, versteckte Populationen vorhanden waren.“ Um diese Theorie bestätigen zu können, wäre intensivere Forschung notwendig. Geplant ist, demnächst Wildkatzen mit Sendern auszustatten, um ihre Wege besser verfolgen zu können.

Klimawandel als Fluch und Segen

Die Klimakrise könnte ein weiterer Grund für die vermehrten Nachweise sein. Schließlich überlebt ein Drittel des Wildkatzennachwuchses den ersten Winter nicht. In der Kälte unter einer Eis- und Schneedecke sind Mäuse schließlich schwerer zu erbeuten. Somit könnten sich die milderen Temperaturen im Winter positiv auf die Population auswirken.

Übl gibt jedoch zu bedenken, dass die globale Erwärmung auch den ohnehin rar gewordenen Lebensraum der Wildkatze bedroht: „Die Wildkatze ist eine wichtige Botschafterin der Wildnis und steht stellvertretend für viele Wildtierarten. Sie braucht natürliche Wälder, die übrigens viel robuster gegenüber dem Klimawandel sind. Diese werden jedoch immer seltener. Gerade Monokulturen wie Fichtenwälder sind stark bedroht.“

Trockenheit, Windwurf und die Verbreitung des Borkenkäfers führen dazu, dass oft ganze Standorte an Fichtenwäldern wegfallen. Somit verliert die Wildkatze noch mehr Lebensraum. Erst im Februar hat das EU-Parlament für ein neues Renaturierungsgesetz gestimmt, das vorsieht, dass mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresgebiete bis 2023 und alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme bis 2050 wiederhergestellt werden sollen. Von solchen Maßnahmen würde die Wildkatze enorm profitieren.