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silverkblack – stock.adobe.com
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Kommunikation

Schweden gestikulieren anders als Italiener

Mit ihrer Studie wollten zwei Forscherinnen der schwedischen Universität Lund die weit verbreitete Annahme belegen, dass Italienerinnen und Italiener beim Erzählen weit häufiger gestikulieren als beispielsweise Menschen aus Schweden. Dabei beobachteten sie zudem, dass Gesten im Norden Europas auf eine ganz andere Weise eingesetzt werden als im Süden.

Wenn Menschen Geschichten erzählen, untermalen sie das oft mit Gesten. Dass Italienerinnen und Italiener wesentlich mehr gestikulieren als Menschen aus den meisten anderen Ländern, insbesondere aus Skandinavien, ist eine weit verbreitete Annahme – für die es bisher aber keine empirischen Beweise gab. Diese zu bestätigen war laut den Forscherinnen der Universität Lund der Grund für ihre Studie.

„Wie zu erwarten war, konnten wir zeigen, dass Italiener häufiger gestikulieren als Schweden“, so die Sprachwissenschaftlerin Maria Graziano vom Humanities Lab der schwedischen Universität in einer Aussendung. Pro 100 Wörter verwendeten die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer aus Italien durchschnittlich 22 Gesten, jene aus Schweden elf, also nur die Hälfte.

Interessanter sei aber die Beobachtung gewesen, dass die Probandinnen und Probanden je nach Erstsprache unterschiedliche Arten von Gesten bevorzugten. Für die Studie ließ Graziano gemeinsam mit der Psycholinguistin Marianne Gullberg, ebenfalls vom Humanities Lab der Uni Lund, zwölf italienische und zwölf schwedische Probandinnen und Probanden eine Folge einer Zeichentrickserie nacherzählen.

Cartoons eignen sich für Gestenforschung

Um den Gebrauch von Gesten zu erforschen, verwenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler häufig Cartoons. Deren Charaktere sprechen oft nicht, die Zuschauerinnen und Zuschauer erzählen die Geschichte deshalb mit ihren eigenen Worten nach – ohne von zuvor gehörten Dialogen beeinflusst zu werden. In diesem Fall handelte es sich um einen 90-sekündigen Clip aus der Serie „Pingu“, einer Trickfilmreihe um den Pinguin Pingu und seinen Freund, den Seehund Robby.

Die Probandinnen und Probanden aus Italien und Schweden sahen die Folge „Pingu’s family celebrates Christmas“. Darin bereitet sich eine Pinguinfamilie auf Weihnachten vor, unter anderem werden Kekse gebacken. Danach sollten die Probanden einem Freund, der den Clip nicht gesehen hatte, aus dem Gedächtnis nacherzählen, was in dem Cartoon geschah.

Gesten haben unterschiedliche Funktionen

Neben der Anzahl der Gesten beobachtete das Forschungsteam auch, wer welche Gesten zu welchem Zweck einsetzte. Und hier zeigte sich – weniger erwartungsgemäß -, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Italien und Schweden in ihrer Nacherzählung auch in Bezug auf die Funktion der verwendeten Gesten unterschieden.

Beim Erzählen von Geschichten werden verschiedene Arten von Informationen kombiniert, erläutert Graziano den Hintergrund: „Wir stellen Charaktere und Ereignisse vor, beschreiben Handlungen und erklären, warum etwas passiert. Wir überprüfen, ob unser Zuhörer versteht, was wir sagen. Und wenn wir eine Geschichte erzählen, die auf einem Zeichentrickfilm basiert, beziehen wir uns auch auf den Akt des Zuschauens.“

Sample Gesten Schwedischsprecherin
Dr Maria Graziano
Das sind die Gesten der Schwedischsprecherin, während diese erzählt, wie die Pinguine Kekse backen

Beschreibt jemand eine Handlung, sei es wahrscheinlicher, dass dazu eine Geste gemacht wird, die diese Handlung darstellt. Diese Art der repräsentativen Gesten verwendeten die Erzählerinnen und Erzähler aus Schweden häufig. Eine Studienteilnehmerin bewegte etwa beide Hände mit den Handflächen nach unten auf und ab, um darzustellen, wie die Pinguine Ausstechformen für Kekse in den Teig drückten.

Wird hingegen über Charaktere oder über Schauplätze gesprochen, sei eine allgemeine Geste, die dem Zuhörer diese Information „anbietet“, wahrscheinlicher. Diese Art von pragmatischen Gesten konnte das Forschungsteam bei den italienischen Teilnehmenden weit häufiger beobachten.

Sample Gesten Italienischsprecherin
Dr Maria Graziano
Die Gesten der Italienischsprecherin folgen schnell aufeinander und dienen dazu, dem Zuhörer das Erzählte zu präsentieren

Die Studie, die nun im Fachjournal „Frontiers in Communication“ veröffentlicht wurde, zeige, dass Menschen aus Italien und Schweden beim Erzählen einer Geschichte diese „auf unterschiedliche Weise entwerfen“, so Graziano. Die Forscherinnen führen das auf kulturell unterschiedliche rhetorische Stile und kulturell unterschiedliche Arten, eine Geschichte zu konstruieren, zurück.

Werden Erzählungen anders aufgebaut und von der erzählenden Person auch in anderen Begriffen gedacht, könne sich das auf die Gestik auswirken. Um diesen Ansatz zu bestätigen, seien aber noch weitere Untersuchungen nötig – Forschung, die auch dazu beitragen soll, besser zu verstehen, wie verschiedene Kulturen ihre Erzählungen auf ihre ganz eigene Art und Weise gestalten.