Eine Wildbiene fliegt auf blaue Salbeiblüten
APA/dpa/Frank Rumpenhorst
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Klimaerwärmung

Trockenheit bedroht Vielfalt von Wildbienen

Wenn die Temperatur steigt und die Trockenheit zunimmt, muss sich das nicht unbedingt negativ auf den Bestand von Wildbienen auswirken. So weit die gute Nachricht. Die schlechte: Die Artenvielfalt leidet. Laut einer neuen Studie setzen sich nur einzelne Arten durch, und selbst diese können langfristig in Bedrängnis kommen.

Untersucht wurde der Bestand an Wildbienenarten im „Sevilleta National Wildlife Refuge“, einem Schutzgebiet in der Chihuahua-Wüste in New Mexiko. Das Gebiet ist an die 93.000 Hektar groß und umfasst fünf Ökosysteme – vor allem Busch- und Grasland sowie Wüste. Mehr als 240 Wildbienenarten kommen hier vor. Ein Team der University of New Mexico in Albuquerque unter der Leitung von Melanie R. Kazenel forschte am lebenden Objekt, berechnete mögliche Entwicklungen und verglich vorhandene große Datenmengen. Die Studie wurde nun in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht.

Die Forscher und Forscherinnen verwendeten Aufzeichnungen zum Vorkommen von Wildbienenarten aus 16 Jahren (2002 bis 2019, ausgenommen der Zeitraum 20016 bis 2017). Unter anderem wurde die Körpergröße von Tieren erfasst, die über mehrere Monate hinweg mit aufgestellten Fallen lebend gefangen worden waren. Computermodelle berechneten, wie sich die Artenvielfalt ändert, wenn Temperaturen steigen und Trockenheit zunimmt.

Der Größere setzt sich durch – nicht immer zum Vorteil

Den Berechnungen zufolge werden 107 Wildbienenarten mit höheren Temperaturen und mehr Trockenheit gut zurecht kommen, auch die nächsten Jahrzehnte. Mehr als 24 Arten werden sich sogar weiter ausbreiten. Diesen insgesamt 131 Arten stehen etwa 112 gegenüber, die weniger werden. Auffallend war, dass sich vor allem größere Wildbienenarten durchsetzen werden.

Das hat Nachteile: Erstens übertragen sie laut den Forschenden Krankheitserreger leichter. Zweitens stört es das komplexe Zusammenspiel von Wildbiene und Pflanze. Vereinfacht ausgedrückt: Manche Arten brauchen einander – die Wildbiene die Pflanze für das passende Futter, die Pflanze den Bestäuber für die Fortpflanzung.

Gehörnte Mauerbiene auf Vergissmeinnicht-Blüten
APA/dpa/Stephanie Pilick
Gehörnte Mauerbiene auf Vergissmeinnicht-Blüten

Etwa 20.000 Arten von Wildbienen, die Hummel zählt dazu, gibt es weltweit. Sie unterscheiden sich voneinander in Größe (vier Millimeter bis drei Zentimeter), Länge des Saugrüssels, Behaarung und der Intensität der Vibration ihres Körpers während der Bestäubung. Im Unterschied zur domestizierten Honigbiene fliegen sie nicht weit – nur 50 bis 300 Meter. Deshalb braucht die Wildbiene für die Nahrungssuche standorttreue Pflanzen. Und: Sie gilt als Pollenspezialistin.

Pollen nicht gleich Pollen

Ein Drittel von ihnen ist bei der Ernährung und Aufzucht der Brut auf Pollen einer ganz bestimmten Pflanzenfamilie angewiesen. Manche von ihnen können sogar nur mit den Pollen einer bestimmten Pflanzenart die Nachkommen durchbringen. Als Beispiel: Manche Wildbienen bevorzugen bei der Suche nach Nektar und Pollen Korbblütler – zum Beispiel Sonnenblumen, Dahlien oder Astern. Blühende Apfel-, Marillen- oder Birnbäume sind weniger anziehend.

Evolutionsbedingt entwickelten auch manche Pflanzen eine „Abhängigkeit“ von bestimmten Wildbienenarten wie zum Beispiel die Paradeiserblüte. Bei ihr liegen die Pollen dicht verschlossen in länglichen Staubbeuteln. Um sie freizubekommen, muss die Blüte „erschüttert“ werden. Das kann nur die Hummel. Einer früheren Studie zufolge erzeugen nur die Flugmuskel der Hummel die notwendige Vibration, um die Pollen herauszuschütteln. Der dichte Hummelpelz transportiert Pollen auch effektiver als kleinere Wildbienen.

Wirtschaftsfaktor Wildbiene

Viele Nutzpflanzen und fast 80 Prozent aller Wildpflanzen können sich nur mit Hilfe fortpflanzen: Wind, kleine Tiere und in erster Linie Insekten sind als Bestäuber notwendig. Ohne sie gebe es manches Obst und Gemüse nicht – zum Beispiel Äpfel, Birnen und Marillen sowie Kürbis, Erbsen und Gurken. Die Arbeitsleistung von Insekten gilt als wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Allein in Europa wird die Bestäubungsarbeit auf etwa 15 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Wildbienen haben einen großen Anteil an dieser Leistung.

Krankheitserreger, Pestizide, Verlust des natürlichen Lebensraums und Klimawandel setzen den Wildbienen zu – auch in Österreich. Hier werden derzeit etwa 700 Arten gezählt, vielleicht nicht mehr lang. Das zeigt sich in Oberösterreich. Ein Forschungsprojekt untersucht seit drei Jahren den Bestand von Wildbienen im Gebiet um die Landeshauptstadt Linz. Ergebnis: Manche Arten sind nicht mehr nachweisbar – entweder abgewandert oder ausgestorben.