Grafik Funde Saint-Paul-Trois-Châteaux
Ludes et al., Sci. Adv. 10, eadl3374 (2024)
Ludes et al., Sci. Adv. 10, eadl3374 (2024)
Jungsteinzeit

Serie von Ritualmorden aufgedeckt

Immer nach demselben Muster haben in der Jungsteinzeit Ritualmorde stattgefunden – quer durch Europa und über einen Zeitraum von zumindest 2.000 Jahren. Diese Serie entdeckte nun ein französisches Forschungsteam, nachdem es bei einer Ausgrabung Anzeichen für eine ungewöhnliche Bestattung gefunden hatte.

Bei Ausgrabungen in einer ehemaligen Versammlungsstätte aus der Jungsteinzeit in Saint-Paul-Trois-Châteaux im Süden Frankreichs wurden drei Skelette von Frauen gefunden, die zwischen 4.000 und 3.500 v. Chr. begraben worden sind. Die menschlichen Überreste erweckten die Aufmerksamkeit des Forschungsteams um Bertrand Ludes von der Universität Paris Cité.

Die Skelette wurden in einer Vorratsgrube gefunden, teilweise bedeckt von Schleifsteinen. Eine Untersuchung der menschlichen Überreste ergab, dass die Frauen erstickt sind. Die Lage eines der Opfer deutet zudem darauf hin, dass es lebendig begraben wurde: Laut dem Forschungsteam sei die Frau auf dem Bauch gelegen, die Knie angewinkelt, der Hals durch eine Fessel mit den Knöcheln verbunden – eine Position, durch die eine Strangulation unvermeidlich sei.

Einzelfall oder verbreitetes Ritual?

Der Tod der Frauen sei mit Sicherheit gewaltsam erfolgt, so die Forscherinnen und Forscher. Um herauszufinden, ob es sich um einen Einzelfall handelte, oder ob die Morde Teil eines in der Jungsteinzeit verbreiteten Opferrituals waren, durchforsteten sie wissenschaftliche Literatur zu Ausgrabungen in der Jungsteinzeit. Sie suchten dabei nach Anzeichen für ungewöhnliche Bestattungspraktiken, wie etwa untypisch positionierte Körper, und nach erhaltenen Spuren von Gewalt.

Grafik Funde Saint-Paul-Trois-Châteaux
Ludes et al., Sci. Adv. 10, eadl3374 (2024)
Grube von Saint-Paul-Trois-Châteaux: (A) Blick auf die drei Skelette, (B) Rekonstruktion der Überreste, (C) Blick auf mit Steinen gefüllte Vorratsgrube, (D) Detailansicht eines Skeletts

Dabei fanden sie 20 Fälle aus 14 Ausgrabungsstätten von Osteuropa bis Spanien, die Gemeinsamkeiten mit dem Fund von Saint-Paul-Trois-Châteaux aufwiesen. Alle diese Fälle hatten eines gemeinsam: Die Position, „die auf Ersticken und die Grausamkeit des Quälens“ hinweise, so das Forschungsteam, dessen Studie nun im Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht wurde.

Menschenopfer für sichere Ernte

Der früheste Fall wurde auf 5.400 bis 4.800 v. Chr. datiert. Weil die Skelette von Saint-Paul-Trois-Châteaux zwischen 4.000 und 3.500 v. Chr. begraben wurden, gehen die Forscherinnen und Forscher davon aus, dass die Morde nach demselben Muster über einen Zeitraum von zumindest zwei Jahrtausenden durchgeführt worden sind.

Die Versammlungsstätte in Saint-Paul-Trois-Châteaux sei wahrscheinlich als Ort für Rituale benutzt worden, heißt es in der Studie. Auch die Bauweise deute auf einen spirituellen Ort hin. So war die Versammlungsstätte etwa ganz exakt in Richtung des Sonnenaufgangs zur Sommersonnenwende und in Richtung des Sonnenuntergangs zur Wintersonnenwende ausgerichtet. Das Forschungsteam vermutet, dass es bei den Ritualmorden eine Verbindung zur Landwirtschaft gab – mit Menschen als Opfergaben für eine sichere Ernte.