Chirurgen bei einer Operation
APA/AFP/TRANSGENDER CENTRE BRAZIL
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Krankenhaus

Hautbakterien führen zu Wundinfektionen

In Krankenhäusern und vor allem in den Operationssälen hat Sauberkeit oberste Priorität. Trotz umfangreicher Hygienemaßnahmen kommt es aber immer wieder zu Wundinfektionen. Wie eine US-Studie nun zeigt, werden sie häufig von antibiotikaresistenten Bakterien auf der Haut der Patientinnen und Patienten ausgelöst.

Wie wahrscheinlich eine postoperative Wundinfektion ist, hängt eng mit der Art des Eingriffs zusammen. „Bei sehr komplexen Operationen kommt es bei rund 15 Prozent der Eingriffe dazu, bei einfacheren Operationen ist die Gefahr einer Infektion deutlich geringer“, erklärt der Anästhesist Dustin Long von der Universität Washington gegenüber science.ORF.at.

Long geht davon aus, dass insgesamt rund drei Prozent aller chirurgischen Eingriffe zu einer postoperativen Wundinfektion führen. „Das klingt zwar nach einer recht kleinen Zahl, für die betroffenen Patienten und das Gesundheitssystem sind die Infektionen aber ein großes Problem“, so Long. Die Behandlung der Wundinfektionen sei meist aufwendig und erfordere in vielen Fällen weitere operative Eingriffe – das ist nicht nur kostspielig, sondern auch eine große Belastung für die Betroffenen.

Bisherige Reinhaltemaßnahmen

Woher die Infektionen tatsächlich stammen, ist jedoch nicht immer klar. „Man legt im chirurgischen Alltag natürlich großen Wert darauf, dass der Operationssaal und die Umgebung der Patienten vor einem Eingriff steril sind“, erklärt Long. Dazu gehören unter anderem genaue Richtlinien, wie die Werkzeuge und der Raum vor und nach einem Eingriff zu reinigen sind, wer den Operationssaal betreten darf und wie sich das Krankenhauspersonal zu kleiden hat.

„Natürlich gibt es auch Richtlinien für die Reinigung der Patienten selbst“, so der Anästhesist. Mit bestimmten Desinfektionsmitteln und Antibiotika wird etwa die Körperregion behandelt, in der der Eingriff stattfinden soll und potenziell gefährliche Bakterien, die etwa in der Nase der Patientinnen und Patienten vorkommen, werden beseitigt. Long sieht dabei aber noch Verbesserungspotenzial: „Es gibt recht wenige aussagekräftige wissenschaftliche Daten, die zeigen, wie wirksam die Reinigung der Patienten tatsächlich ist.“ In vielen Krankenhäusern werde diesem Bereich daher „zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“, so der Anästhesist – die Desinfektion der Patientinnen und Patienten passiere weder einheitlich noch faktenbasiert.

Übeltäter auf der Haut

Gemeinsam mit einem Forschungsteam untersuchte Long nun knapp über 200 Patientinnen und Patienten eines zur Universität Washington gehörenden Krankenhauses, die auf eine Wirbelsäulenoperation vorbereitet wurden. „Diese Eingriffe sind wegen der vielen Schrauben und anderer chirurgischer Maßnahmen meist sehr komplex und es kommt immer wieder zu postoperativen Wundinfektionen“, erklärt Long. Tatsächlich war das bei vierzehn Personen (rund sieben Prozent der Kohorte, Anm.) der Fall.

Vor den Operationen fertigten die Forscherinnen und Forscher Abstriche von der Haut aller Patienten an. Bei jenen, die im Anschluss mit einer Wundinfektion zu kämpfen hatten, verglich das Team die Abstriche mit den Bakterien, die es in den Wunden vorfand. Das Ergebnis der Untersuchung, das die Forscherinnen und Forscher auch im Fachjournal „Science Translational Medicine“ präsentierten, zeigte den Ursprung der postoperativen Wundinfektionen deutlich: „Praktisch alle Infektionen (mehr als 85 Prozent, Anm.) stammten von dem Hautmikrobiom der Patienten selbst – die Verursacher waren also Organismen, die schon auf den Betroffenen gelebt haben, bevor sie überhaupt in das Krankenhaus gekommen sind“, erklärt der ebenfalls an der Universität von Washington beschäftigte und an der Studie beteiligte Pathologe Stephen Salipante gegenüber science.ORF.at.

Resistente Bakterien

Dass die Organismen aus dem Hautmikrobiom trotz verschiedener Desinfektionsmaßnahmen für einen Großteil der Wundinfektionen verantwortlich waren, habe einen einfachen Grund: „Rund 60 Prozent der von uns untersuchten Bakterien waren resistent gegen die Antibiotika, die vor einem operativen Eingriff zum Einsatz kommen“, so Salipante.

Für den medizinischen Alltag in Krankenhäusern bedeute das, dass der Reinigung der Patientinnen und Patienten noch mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Long hält es etwa für möglich, mit einem Hautabstrich schon vor der Operation genau festzustellen, welche Antibiotika zur Desinfektion eines Patienten eingesetzt werden sollten. „Wir brauchen außerdem noch weitere umfangreiche Studien, um die besten Maßnahmen zu finden und die Vorgänge in allen Krankenhäusern zu vereinheitlichen“, erklärt der Pathologe.

Umstellung braucht Zeit

All das müsse zusätzlich zu den bisherigen Reinhaltemaßnahmen geschehen, deren Wirksamkeit unumstritten ist. „Der Grund, warum praktisch alle von uns untersuchten Wundinfektionen vom Hautmikrobiom der Patienten stammten, ist, dass die anderen Gefahrenquellen im Krankenhaus bereits effektiv bekämpft werden“, so Long.

Mehr Fokus auf die Desinfektion der Patientinnen und Patienten zu legen, bedeute aber auch zusätzliche Arbeit für das Krankenhauspersonal. „Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Kapazitäten – vor allem bei den Pflegekräften – sehr oft bereits schon ausgereizt sind“, erklärt der Anästhesist. „Die Umstellung kann daher nur nach und nach geschehen, und ist sicher nicht von heute auf morgen möglich.“

Long hofft jedoch, dass die Ergebnisse der Untersuchung und weitere Studien auf dem Gebiet künftig genügend Anreize bieten, die Arbeitsschritte in Krankenhäusern zu überarbeiten, um Wundinfektionen nach chirurgischen Eingriffen effektiver zu verhindern – nicht nur zum Wohle der Patientinnen und Patienten, sondern auch um die mit den Wundinfektionen einhergehenden Kosten zu minimieren.