Arbeitsamt: Mann sitzt auf einem Sessel und wartet
APA/DPA/JULIAN STRATENSCHULTE
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Modell Marienthal

Arbeitsplatzgarantie zeigt Wirkung

Eine Arbeitsplatzgarantie gilt als vielversprechend, um langzeitarbeitslosen Personen eine Rückkehr ins Erwerbsleben zu ermöglichen. Im „Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal“ wurde das in den vergangenen dreieinhalb Jahren untersucht, wissenschaftlich begleitet von der Universität Wien. Am Donnerstag wurde der Abschlussbericht präsentiert.

Wer länger als ein Jahr einen neuen Arbeitsplatz sucht, gilt als langzeitarbeitslos. Davon betroffen sind vor allem ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Menschen mit psychischen Problemen und Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen, die oft eine Konsequenz früherer Erwerbstätigkeit sind. Im März 2024 waren mehr als 80.000 Arbeitssuchende in Österreich langzeitarbeitslos.

Eine Arbeitsplatzgarantie könnte ihre Lebenssituation wesentlich verbessern, sagt der Soziologe Jörg Flecker von der Universität Wien. Die Ergebnisse der Begleitstudie zum „Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal“ würden das abermals unterstreichen.

Job garantiert, Teilnahme freiwillig

Von Oktober 2020 bis April 2024 setzte das Arbeitsmarktservice (AMS) Niederösterreich „Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal“ in Gramatneusiedl um. In der Gemeinde wurde etwa eine historische Fabrikhalle renoviert und dort eine Holzwerkstatt eingerichtet, in der dann Sessel für den Gemeindekindergarten produziert wurden. Es gab Arbeitsplätze in der Grünraumpflege, im Bürobereich und in einem zeitgeschichtlichen Archiv.

Insgesamt nahmen 112 Arbeitssuchende an dem Projekt teil. Das AMS garantierte ihnen einen Arbeitsplatz mit kollektivvertraglicher Entlohnung in einem gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt – die Teilnahme war freiwillig.

„Das bedeutet, die Personen hatten die Möglichkeit, einen Dienstvertrag zu unterzeichnen und vor Ort in diesem gemeinnützigen Beschäftigungsprojekt unterschiedliche Arbeitsaufträge zu erfüllen“, sagt die Soziologin Hannah Quinz von der Universität Wien, die an der Begleitstudie „Marienthal reversed“ beteiligt war.

Bei Gramatneusiedl (früher Marienthal) handelt es sich um jenen Ort, an dem Soziologen wie Marie Jahoda und Paul Lazarsfeld Anfang der 1930er Jahre die berühmte Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ durchführten, die auch bis heute wichtige Erkenntnisse zu den psychischen und sozialen Folgen von Langzeitarbeitslosigkeit lieferte.

Armutsrisiko und psychische Belastungen

Bei der Arbeitsplatzvermittlung wurde darauf geachtet, Arbeit zu finden, die für die Teilnehmenden passend war und ihren Qualifikationen entsprach und zugleich Weiterentwicklungsmöglichkeiten bot. Inwiefern sich die Situation der Teilnehmenden verbesserte, wurde in verschiedenen Etappen untersucht. Denn Langzeitarbeitslosigkeit habe gravierende Folgen für die Betroffenen, sagt Flecker: „Man weiß, dass das Armutsrisiko stark ansteigt, dass die Gesundheit stark leidet und dass die soziale Teilhabe leidet: Die sozialen Kontakte nehmen ab, Leute ziehen sich zurück.“

Die Ergebnisse der Begleitstudie zeigen: Zu Beginn des Projekts hatten fast 30 Prozent der Teilnehmenden große finanzielle Sorgen, fast 70 Prozent konnten kein Geld auf die Seite legen. Nach zwei Jahren hatte niemand mehr finanzielle Sorgen, und fast 50 Prozent gaben an, Geld sparen zu können. Angstzustände und Schlafstörungen gingen stark zurück, das Gefühl sozialer Zugehörigkeit und die empfundene Wertschätzung nahmen stark zu.

„Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass die Teilnehmenden viele positive Rückmeldungen von der lokalen Bevölkerung erhalten haben“, sagt Quinz. Nachdem es sich ausschließlich um gemeinnützige Tätigkeiten handelte, profitierte die gesamte Gemeinde von dem Projekt.

Neue Arbeitsplätze, neue Kompetenzen

Die Studie zeigt zudem, dass ein Teil der Beschäftigten im Verlauf des Projekts in ungeförderte Beschäftigung wechseln konnte, also wieder auf den allgemeinen Arbeitsmarkt eintreten konnte. Einem anderen Teil ermöglichte das Projekt, vor der Pension in Beschäftigung zu kommen und zu bleiben. „Und ein weiterer Teil verblieb bis zum Ende im Projekt, wo sie neue Kompetenzen erwerben und neue Arbeitsbereiche kennenlernen konnten“, erzählt Quinz. All das seien Ergebnisse, die nach Ansicht Fleckers dafür sprechen, eine Arbeitsplatzgarantie österreichweit in wesentlich mehr Gemeinden einzuführen.

Unsere Gesellschaft habe ein Gerechtigkeitsproblem, wenn derzeit 80.000 Personen langzeitarbeitslos sind, so Flecker: „Das sind vielfach Personen, die über Jahrzehnte gearbeitet haben, die teilweise ihre Gesundheit ruiniert haben in der Erwerbsarbeit, und jetzt lässt man sie im Stich?“ Aus Sicht des Forschungsteams sind Arbeitsplatzgarantien eine sinnvolle Lösung. Doch, auch das zeigte die Begleitstudie, solche Arbeitsplätze müssen längerfristig gefördert werden, damit langzeitarbeitslose Menschen davon profitieren. Sechs Monate wie bei geförderten Arbeitsplätzen oft vorgesehen seien dafür nicht ausreichend.