Eine Frau joggt, im Vordergrund gelbe Blumen
AFP – JUSTIN TALLIS
AFP – JUSTIN TALLIS
Sterberisiko

Lebensstil übertrumpft Genetik

Mehr Sport, weniger Alkohol, gesundes Essen und ausreichend Schlaf – das sind oft gehörte Ratschläge für ein langes Leben. Dass diese Empfehlungen tatsächlich wirken, bestätigt eine neue Studie: Sogar genetische Risikofaktoren für ein weniger hohes Lebensalter können durch den Lebensstil positiv beeinflusst werden.

Die Lebensspanne eines Menschen wird sowohl von genetischen Faktoren als auch von der individuellen Lebensführung bestimmt. Wie gesund jemand lebt, hat tatsächlich einen großen Einfluss auf die Lebenserwartung. Inwieweit dadurch auch die genetische Veranlagung für ein frühzeitiges Sterberisiko (vor dem 75. Lebensjahr) ausgeglichen werden kann, war bisher aber unklar. Eine soeben im Fachjournal „BMJ Evidence-Based Medicine“ erschienene Studie beschreibt die Auswirkungen der Lebensführung auf das „ererbte“ Lebensalter.

Um herauszufinden, ob und wie sehr ein ungesunder Lebensstil das Sterberisiko erhöht, oder ob nicht doch vielmehr die Gene Einfluss auf die individuelle Lebenserwartung haben, verglich ein chinesisches Forschungsteam um Xifeng Wu von der Zhejiang University School of Medicine in Hangzhou die Daten von 353.742 Erwachsenen europäischer Herkunft, die zwischen 2006 und 2010 in die britische Biobank aufgenommen wurden. Die Teilnehmenden wurden im Schnitt für weitere 13 Jahre – bis 2021 – beobachtet, 24.239 von ihnen starben in diesem Zeitraum.

Gesunde Lebensführung beeinflusst Sterberisiko

Anhand dieser Langzeitdaten ermittelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler drei Gruppen von Teilnehmerinnen und Teilnehmer je nach ihrer genetischen Veranlagung – mit einer langen, einer mittleren und einer kurzen Lebensspanne. Zusätzlich wurde die individuelle Lebensführung der Probandinnen und Probanden erhoben: Ob und wie viel sie rauchten, wie viel Alkohol sie tranken, ob sie ausreichend schliefen, welche Lebensmittel sie aßen und ob sie regelmäßig Sport betrieben. Und auch ihre Körperform wurde erfasst.

Es zeigte sich, dass Personen mit einem erhöhten genetischen Risiko für ein kurzes Leben unabhängig von ihrem Lebensstil ein um 21 Prozent höheres Risiko hatten, frühzeitig zu sterben, als Personen ohne diese Veranlagung. Hingegen war bei Menschen, die einen für ihre Gesundheit ungünstigen Lebensstil pflegten, das Sterberisiko generell um 78 Prozent höher als bei jenen Personen, die gesund lebten – die genetische Veranlagung hatte keinen signifikanten Einfluss. Wer allerdings erblich vorbelastet war und zusätzlich noch ungesund lebte, war sogar doppelt so stark gefährdet, noch vor dem 75. Lebensjahr zu sterben.

Vier lebensverlängernde Faktoren

Mit einer gesunden Lebensführung könnte das Risiko für eine kürzere Lebensspanne oder einen verfrühten Tod insgesamt um mehr als 60 Prozent kompensiert werden, schließen die Autorinnen und Autoren aus diesen Ergebnissen. Menschen mit einem hohen Risiko, früh zu sterben, könnten sogar fünfeinhalb zusätzliche Lebensjahre gewinnen, wenn sie sich im Alter von rund 40 Jahren für einen gesundheitsfördernden Lebensstil entscheiden. Ausschlaggebend seien vor allem vier Faktoren: nicht zu rauchen, regelmäßige Bewegung, ausreichend Schlaf und eine gesunde Ernährung.

Entsprechende öffentliche und gesundheitspolitische Maßnahmen, die einen gesunden Lebensstil unterstützen, könnten einen zusätzlichen Beitrag leisten, um die Lebenserwartung der Menschen zu erhöhen und gleichzeitig den Einfluss genetischer Faktoren auf das Sterberisiko zu senken, so das Forschungsteam.