Eine Frau sitzt in der Nacht vor einem Laptop und arbeitet
Getty Images/Justin Paget
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Chronobiologie

Abendmenschen leben ungesünder

In der Früh hellwach zu sein oder nicht aus dem Bett zu kommen ist keine reine Gewohnheitssache. Die Veranlagung zu Morgen- oder Abendmenschen hat biologische Grundlagen und gesundheitliche Folgen. Aktuelle Studien zeigen, dass Abendmenschen tendenziell ungesünder leben.

Die Abendtypen oder Eulen bekommen weniger Stunden Schlaf, sehen weniger Tageslicht und sind körperlich weniger aktiv. Und sie sind anfälliger für körperliche Gesundheitsrisiken und Depressionen als die Morgentypen – die Lerchen, die früh aufstehen und ebenso früh zu Bett gehen. Der Grund: Die Chronobiologie lässt den inneren Wecker der Eulen später läuten, als es die Arbeitswelt von ihnen verlangt. Ihr Schlaf-Wach-Rhythmus kommt so durcheinander.

„Eulen schlafen an den Wochenenden in den Tag hinein und stehen tendenziell später auf“, erklärt Gerhard Klösch, Schlafforscher an der Medizinischen Universität Wien. Sie versuchen, das Schlafdefizit der Woche am Wochenende nachzuholen. „Lerchen sind auch an Wochenenden eher zu denselben Zeiten aus den Federn und sind auch zur selben Zeit wieder im Bett anzutreffen.“

Erhöhtes Krankheitsrisiko

Entgleist der eigene Rhythmus aus Schlaf und Aktivität, wächst das Risiko, an Diabetes oder am Herzen zu erkranken, wie Studien festhalten. „Herz-Kreislauf-Erkrankungen zeigen sich zunehmend bei Personen, deren Schlafzeiten unregelmäßig oder zu kurz sind“, so Klösch.

So zeigen etwa Schichtarbeiter im Vergleich zu Tagarbeitern zahlreiche gesundheitliche Beeinträchtigungen. Zudem tendieren Abendtypen zu einem schlechteren Gesundheitsverhalten. Sie ernähren sich ungesund, und auch die Raucherquote liegt höher.

ORF-Schwerpunkt zu „erholsamem Schlaf“

Von 16. bis 25. November widmet sich eine „Bewusst gesund“-Initiative in allen Medien des ORF dem „erholsamen Schlaf“.

Für Nachteulen war auch die Covid-19-Pandemie nicht gesund. „Sie hat dazu geführt, dass sie in den Tag hineingeschlafen haben. Damit ist eine wichtige Reglementierung des Schlaf-Wach-Rhythmus durch geregelte Arbeitszeiten weggefallen“, sagt Klösch. Resultat laut einer Studie: Die Eulen hatten deutlich mehr psychische Gesundheitsprobleme als die Lerchen, auch ihr allgemeines Wohlbefinden war schlechter.

Auch Schlafzyklus entscheidend

Nicht nur die Dauer und der Zeitpunkt des Schlafs sind entscheidend, sondern auch der Schlafzyklus. Die kleinste Einheit besteht aus Tiefschlafphase und Traumphase. „Der erste und zweite Schlafzyklus ist sehr wichtig, weil wir da Tiefschlaf haben, und der Tiefschlaf ist total wichtig für die körperliche Erholung“, sagt Klösch, der Schlaf als etwas Variables betrachtet:

„Wir können über kurze Zeiträume mit wenig Schlaf auskommen, ohne gesundheitliche Auswirkungen zu haben. Eine Mutter mit Kleinkind muss über ein bis drei Jahre mit wenig Schlaf auskommen, schläft dafür beispielsweise untertags.“

Maßnahmen gegen „sozialen Jetlag“

Krankenpflegerinnen und -pfleger sind eine besonders geeignete Berufsgruppe, um die Frage zu untersuchen. Laut einer aktuellen US-Studie berichten die Nachteulen unter ihnen häufiger über einen ungesunden Lebensstil und haben im Vergleich zu den Lerchen auch ein erhöhtes Diabetesrisiko.

Die Nachteile des Abendtyps sind also gut dokumentiert. Offen bleibt die Frage, ob mehr zeitliche Flexibilität in der Schul- und Arbeitswelt dem „sozialen Jetlag“ entgegenwirken kann – etwa dadurch, dass man Eulen einen späteren Beginn in Schule und Arbeit ermöglicht und ihre Fähigkeit nutzt, auch am späten Abend noch konzentriert und munter zu sein. Das könnte ihren Schlaf-Wach-Rhythmus wieder ins Gleichgewicht bringen.