Ein Schimpanse im Taï-Nationalpark auf der Suche nach Larven
Liran Samuni, Taï Chimpanzee Project
Liran Samuni, Taï Chimpanzee Project
Werkzeuggebrauch

Auch alte Schimpansen lernen dazu

Bisher wurde vermutet, dass Schimpansen nur bis zu einem bestimmten Alter lernfähig sind. Studienergebnisse zeigen nun, dass auch einige ältere Menschenaffen den Umgang mit Werkzeugen noch nicht komplett beherrschen und im Erwachsenenalter weiter an ihren Fähigkeiten feilen.

Mit Werkzeugen umzugehen, muss gelernt sein. Schimpansen sind dabei bekanntermaßen besonders geschickt, denn sie nutzen unter anderem Steine, um Nüsse zu knacken oder Stöcke, um damit Larven in Baumrinden aufzuspüren.

Nur Menschen haben den Schimpansen beim Werkzeuggebrauch noch etwas voraus. „Wie Menschen mit Technologie umgehen, ist wahrscheinlich ziemlich einzigartig“, erklärt der Anthropologe Roman Wittig vom Institut für Kognitionswissenschaften in Lyon gegenüber science.ORF.at. Das liege unter anderem daran, dass Menschen bis ins hohe Alter lernfähig sind und ihre Fähigkeiten im Laufe der Jahre immer weiter verbessern. „Man ist bisher davon ausgegangen, dass nur wir Menschen dazu in der Lage sind, bis ins hohe Alter dazuzulernen.“

Mit Stöckchen auf Nahrungssuche

Wittig leitet das Taï Schimpansen Projekt in der Elfenbeinküste. Seit 45 Jahren leben dort in einem Nationalpark mehrere Schimpansengruppen in einer geschützten Umgebung. „Es ist eigentlich sehr schwer, Schimpansen zu erforschen, weil sie sich in ihrer natürlichen Umgebung kaum an Menschen gewöhnen und der Zugang zu den Tieren daher meist sehr beschränkt ist“, erklärt er.

Um mehr über das Lernverhalten der Menschenaffen herauszufinden, analysierte der Anthropologe gemeinsam mit einem Forschungsteam zahlreiche Videos von rund 70 Schimpansen aus dem Projekt. Die Tiere waren unterschiedlichen Alters und gerade dabei, Stöckchen als Werkzeuge zu benutzen.

„Die Schimpansen verwenden diese Stöckchen zum Beispiel, um Larven aus einem Baum herauszupulen. Und dafür sind mehrere Schritte nötig, bei denen sie ihr Werkzeug auf unterschiedliche Arten nutzen müssen.“ Für das Einführen des Stocks in das Baumloch sei etwa ein anderer Umgang mit dem Werkzeug nötig, als für das anschließende Aufspüren und zu Tage fördern der Larven. Für Schimpansen sei das ein komplexer Vorgang.

Bis ins hohe Alter lernfähig

Dass ein Stöckchen generell für die Nahrungsbeschaffung genutzt werden kann, schauten sich die Schimpansen im Taï-Nationalpark vermutlich schon früh von älteren Artgenossen ab. Unklar war aber, ob sie diese und weitere Techniken ab einem gewissen Alter komplett beherrschen und irgendwann aufhören daran zu feilen. „Man ist davon ausgegangen, dass Schimpansen nur bis zum Erwachsenenalter, also ungefähr bis zu einem Alter von fünfzehn Jahren, lernfähig sind“, so Wittig.

Die Analyse der Videos ergab, dass die Tiere mit fortschreitendem Alter zwar deutlich geschickter wurden, jedoch auch, dass ältere Schimpansen durchaus noch Fehler machten. „Wir wissen nun, dass diese Funktion des Stöckchengebrauchs als Werkzeug so weit ausgebildet ist, dass fünfzehn- bis zwanzigjährige Schimpansen das immer noch nicht zu einhundert Prozent richtig machen – nicht jedes Mal“, erklärt der Anthropologe.

Für Wittig ist das ein klares Zeichen dafür, dass die Schimpansen beim Erreichen des Erwachsenenalters nicht damit aufhören, neue Dinge dazuzulernen. Entgegen bisherigen Vermutungen geht er davon aus, dass sie wie Menschen auch noch in höherem Alter lernfähig sind. Die genauen Ergebnisse der Analyse präsentiert das Forschungsteam derzeit im Fachjournal „PLOS Biology“.

Einblick in menschliche Kulturen

Bemerkenswert war für den Anthropologen außerdem, dass verschiedene Schimpansen-Gruppen im Nationalpark leicht unterschiedliche Herangehensweisen nutzten und zum Beispiel die Stöckchen anders hielten. „Daran sehen wir, dass Schimpansen verschiedene Kulturen entwickeln, weil selbst benachbarte Schimpansengruppen gewisse Dinge anders machen.“

Wie die Schimpansen selbst seien aber auch diese verschiedenen Kulturen vom Aussterben bedroht. „Wenn man das auf uns Menschen umlegt, können wir von den Schimpansen auch einiges darüber lernen, wie sich unsere Kulturen entwickelt haben und warum manche Kulturen im Laufe der Zeit wieder verschwunden sind“, erklärt Wittig. Ein besseres Verständnis über das Lernverhalten der Schimpansen könnte künftig daher auch einen genaueren Einblick in die Entstehung und den Verfall menschlicher Kulturen gewähren.