Besucher eines Pubs trinken Bier im Freien
TOLGA AKMEN/AFP
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Alkohol

Infusionen gegen Kater wirkungslos

Ein Trend aus den USA verbreitet sich auch hierzulande: „Anti-Kater-Infusionen“ sollen die Nebenwirkungen einer durchzechten Nacht schnell abklingen lassen. Fachleute sehen das aus mehreren Gründen kritisch.

„Anti-Hangover-Infusionen“ sind ein Angebot für Menschen, die ihren Kater nach einer durchzechten Nacht schnell wieder loswerden möchten. In der deutschen Partyhochburg Berlin kann man sich die Infusion samt medizinischem Personal online ins Wohnzimmer bestellen.

Trinken ohne Reue verspricht auch ein Anbieter aus Prag, der die Infusion schon ins Partypackage für den Junggesellabschied aufgenommen hat. Für über 200 Euro pro Person kommt ein Arzt und hängt alle für etwa 40 Minuten an die Nadel.

Zutaten variieren

Der Inhalt ist meist eine Kochsalzlösung mit verschiedenen Vitaminen, Folsäure und Elektrolyten. Auch in Österreich gibt es verschiedene Anbieter für „Anti-Hangover-Infusionen“: Einer von ihnen versetzt sie nach eigenen Angaben etwa mit einem homöopathischen Mittel zur Stärkung der Leber, sowie Selen zur Immunabwehr und zur Beseitigung freier Radikale und der Ammoniumverbindung Cholin. All das soll dafür sorgen, dass man sich sofort wieder fit fühlt. Andere Anbieter verweisen auf ein „Geheimrezept“, das nur den Kunden verraten wird.

Doch wissenschaftliche Erkenntnisse, die die Wirkung solcher Infusionen untermauern, gibt es nicht. Im Gegenteil: Bisherige Studien deuten darauf hin, dass es kaum bis gar keinen Unterschied zwischen einem Placebo und dem Wirkstoff gibt, erklärt Wilhelm Behringer, Leiter der Klinik für Notfallmedizin am Wiener AKH.

Flüssigkeitsverlust und Entzündungen

Ein Kater entsteht, weil durch den Alkohol das HormonVasopressin blockiert wird, was zu einem Flüssigkeitsverlust führt. Außerdem entstehen Entzündungen im Körper, man fühlt sich ähnlich schlecht wie bei einer Infektion. Deshalb ergeben entzündungshemmende Wirkstoffe – darunter etwa Vitamin C, B2 oder Selen – theoretisch Sinn. Doch bisherige Studien zu dem Thema zeigen keinen Unterschied zwischen Wirkstoffen und Placebo.

Nach bisherigem Stand der Wissenschaft sind die Infusionen also wirkungslos, so Behringer, und verweist auf den bisherigen Forschungsstand der internationalen Hangover Research Group. „Was man am besten machen kann, ist viel trinken. Vielleicht ein Schmerzmittel nehmen und an die frische Luft gehen und spazieren“, empfiehlt er.

Infusionen nicht leichtfertig verabreichen

Einzelne Symptome wie Kopfschmerzen oder Übelkeit kann man natürlich mit entsprechenden Medikamenten lindern. Allerdings: Schmerzmittel werden über die Leber abgebaut, genau wie Alkohol. Sie belasten das Organ also zusätzlich. Eine Injektion setzen würde Behring nur im Notfall, er weist auf das immer bestehende Risiko für eine Venenentzündung hin.

In der Klinik für Notfallmedizin am AKH Wien gebe man Infusionen nur dann, wenn der Patient oder die Patientin nicht schlucken kann oder ein Medikament über Mund nicht aufgenommen werden kann.

Vitaminzugaben helfen meist nicht

Vitaminzugaben sind nach bisherigem Wissensstand bei normal ernährten Menschen ohne Mangelbefunde generell nutzlos, nicht nur auf den Kater bezogen. Und dem Argument vieler Anbieter, Vitamine würden über den Magen schlechter absorbiert, als wenn sie per Infusion in den Körper gelangen, dem stehen Ernährungswissenschaftler durchaus skeptisch gegenüber. Denn möglicherweise verhindert der Körper damit natürlicherweise eine Überdosierung, gegen die er sich bei Infusionen nicht wehren kann.

Gesunde Menschen, die einfach nur viel zu viel Alkohol getrunken haben und in der Notfallaufnahme landen, behandelt Wilhelm Behringer so: „Ausnüchtern und wenn der Patient trinken kann, kriegt er was zum Trinken – und zwar Wasser." Wenn er nicht trinken kann, weil er so in seinem Bewusstsein eingeschränkt ist, dann bekomme er durchaus Infusionen, weil Flüssigkeitszufuhr wichtig sei, "aber ansonsten braucht man hier absolut kein Kochsalz“, betont er.

Doch warum berichten Menschen dann immer wieder, dass sie sich nach einer „Anti-Kater-Infusion“ durchaus besser fühlen? Wilhelm Behringer tippt auf den Placeboeffekt. Und hier kommt auch die Tatsache ins Spiel, dass die Produkte zwischen 200 und 300 Euro kosten: Verschiedene Studien kamen immer wieder zu dem Ergebnis, dass der Placeboeffekt noch zunimmt, je teurer das Produkt ist.

Gefährliches Geschäft

„Anti-Kater-Infusionen“ oder Medikamente seien eine reine Geschäftemacherei, ärgert sich Behringer, und noch dazu gefährlich. Eine aktuelle Studie habe gezeigt, dass Menschen, die solche Medikamente verwenden, auch vermehrt Alkohol trinken. Behringer betont: Alkohol ist ein Zellgift, das den Körper immer schädigt – egal, wie schlimm der Kater danach ist.