Filmrollen in Archivregalen
AFP/JOE KLAMAR
AFP/JOE KLAMAR
technologie

Schaumkur für alte Filmaufnahmen

Spröde, brüchig und verformt – historische Tonbänder und Filmspulen leiden unter Alterserscheinungen und sind vom Zerfall bedroht. Eine chemische Auffrischungskur soll den Bestand sichern.

Nitratfilme sorgten am Anfang des 20. Jahrhunderts für Begeisterung, die Fotografie wurde massentauglich und Stummfilme mit Charlie Chaplin und Buster Keaton eroberten die Leinwand. Nur die Brandgefahr von Nitrocellulose gefährdete das Kinovergnügen, die Nitratfilme waren nämlich leicht entflammbar und sehr schwer zu löschen.

Deshalb musste ein neues Material entwickelt werden, Celluloseacetat kam fortan beim sogenannten Sicherheitsfilm zum Einsatz. Heute sind diese Filmrollen bzw. Tonbandspulen zwar Geschichte, dennoch dienen sie als wichtige Dokumente und gehören zu unserem kulturellen Erbe.

Das Essigsäure-Syndrom

An den analogen Datenträgern, die auf Dachböden, in Kellern oder in Archiven lagern, nagt der Zahn der Zeit. „Das Band verliert über die Zeit Weichmacher, dazu kommt ein Phänomen, dass sich Essigsäure-Syndrom nennt. Das Material spaltet Essigsäure ab“, erklärt Nadja Wallaszkovits, Audiotechnikerin am Phonogrammarchiv der österreichischen Akademie der Wissenschaften. „Das Material wird immer brüchiger und fragiler, irgendwann kann man es überhaupt nicht mehr abspielen, das Band bricht einem in den Händen auseinander.“

Historisches Tonband auf Metallspule
Phonogrammarchiv der österreichischen Akademie der Wissenschaften

Um dieses Problem zu lösen, wurde am Phonogrammarchiv eine Verjüngungskur für die Celluloseacetat-Bänder entwickelt. Dazu werden die Filmspulen oder Tonbandwickel in ein chemisches Bad gelegt, das die entstandene Essigsäure auswäscht und das Material mit neuem Weichmacher auffrischt. Idealerweise ist das Material nach der Trocknung wieder elastisch und lässt sich abspielen.

Sensoren bestimmen Erhaltungszustand

Die analogen Datenträger sind oft in sehr schlechtem Zustand, bevor sie rekonstruiert werden, und daher auch nach der Behandlung nicht mit ewigem Leben gesegnet. Wartung und Pflege seien sehr arbeitsintensiv, sagt Nadja Wallaszkovits. Diese Aufgabe stelle vor allem Archive mit großen Sammlungen vor eine Herausforderung. „Um zu wissen, wie es einem Film geht, musste man bisher jede Schachtel einzeln aufmachen, hineinschauen, riechen und einen pH-Teststreifen hineinlegen.“

Um diesen Aufwand zu schmälern und eine bessere Lagerung der wertvollen Exemplare zu gewährleisten, wurde das EU-Projekt „Nemosine“ ins Leben gerufen. Im Rahmen des Projekts forschen 15 Institute unter anderem an einer Hülle, die mit Sensoren ausgestattet ist. „Wir entwickeln eine Verpackung, die dann sozusagen das Endlager für aufgefrischte Filme oder Tonbänder wäre“, so die Audiotechnikerin.

Die Sensortechnologie soll die Ausgasungen des Materials messen, eine Software analysiert dann die Messdaten und gibt Bescheid, ob eine Maßnahme erforderlich ist. Auch welche Behandlung notwendig ist, soll die Software aus den Daten eruieren können.

Aufnahmen online abrufbar

Bei der Behandlung kommt unter anderem ein im Rahmen des Projekts entwickelter Schaum mit metallorganischen Verbindungen zum Einsatz: Dieser Schaum kann unerwünschte Chemikalien aus dem Material herausziehen und gleichzeitig Verbindungen an das Material abgeben – etwa Fungizide oder weichmachende Substanzen, die dem Film zu einem längeren Leben verhelfen. Bereits digitalisierte Schätze aus der Vergangenheit kann man übrigens im Online-Katalog des Phonogrammarchivs bewundern, darunter auch eine Tonaufnahme von Kaiser Franz Joseph I.