Alm mit Kühen in der Sonne in Österreich
APA/BARBARA GINDL
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Sediment

Spuren früher Almwirtschaft in Alpensee

Schon in der Bronzezeit hat es in der Umgebung des Salzburger Krummschnabelsees Weidenutzung gegeben. Das zeigen Analysen von bis zu 10.000 Jahre altem Erbgut von Pflanzen und Tieren aus den Sedimenten des Alpensees, die Forscher bei der virtuellen Generalversammlung der European Geosciences Union vorstellen.

Mit internationalen Kollegen hat Andreas Tribsch vom Fachbereich Biowissenschaften der Universität Salzburg Bohrkerne aus den Böden von vier österreichischen Alpenseen gewonnen, nämlich dem Großen Winterleitensee, dem Mittleren Kaltenbachsee, dem Sulzkarsee (alle Steiermark) und dem Krummschnabelsee (Salzburg), sowie dem Laghetti Colbricon in der italienischen Provinz Trient. Die Forscher entnahmen zirka alle 20 Zentimeter Sedimentproben aus den Bohrkernen und sequenzierten darin enthaltenes Erbgut (Sediment-DNA bzw. sedaDNA), erklärte Tribsch im Gespräch mit der APA.

Das Erbgut stammt von Pflanzen und teils auch Tieren, die rund um den See gewachsen sind und gelebt haben. Ihre Pollen, Pflanzenteile und Kot gelangten in den See, und lagerten sich Schicht für Schicht an seinem Grund ab. Mit Analysen von Sediment-DNA erfasst man ein viel breiteres Spektrum an Arten und Gattungen, als mit herkömmlichen Pollenanalysen, mit denen man nur windbestäubte Pflanzen nachweisen kann, sagt der Forscher.

Charakteristische Almpflanzen

Anhand der Erbgut-Sequenzen in einer bestimmte Bohrkern-Tiefe könne man die damalige Lebewelt rekonstruieren. Ist in einer 5.000 Jahre alten Schicht zum Beispiel viel Birken- und wenig Gräser-Erbgut (DNA), wäre das ein Hinweis, dass damals in der Umgebung des Sees ein Birkenhain und kein offener alpiner Rasen war, erklärt Tribsch. Große Mengen an Farn-DNA sei wiederum ein Hinweis, dass zu dieser Zeit oft viel Schnee dort gelegen ist, denn unter solchen Umweltbedingungen entwickeln sich diese Gewächse gut.

Beim Krummschnabelsee, der auf knapp 2.000 Metern Seehöhe beim Radstätter Tauernpass liegt, könne man von zeitlichen Änderungen in der Vegetation sogar auf menschliche Aktivitäten schließen, und damit frühere archäologische Funde untermauern, sagt Tribsch. In den 3.500 bis 3.000 Jahre alten Schichten kommen nämlich verglichen mit älteren Ablagerungen viele Pflanzen vor, die für beweidete Almen charakteristisch sind, wie zum Beispiel der „Weiße Germer“ (Veratrum album). „Diese Giftpflanze ist ein sehr typisches Weideunkraut bei uns in den Alpen, und dass er in dieser Zeit massiv auftauchte, ist ein Hinweis auf bronzezeitliche Weidennutzung“, erklärt er.

Seit den Römern unverändert

Vor 2.000 Jahren kamen noch viele weitere für Almwirtschaft charakteristische Pflanzen dazu, so der Forscher: „Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass es in der damaligen Römerzeit eine Umstellung in der Weidenutzung gab, und mehr gemäht wurde.“ Seit dem Mittelalter habe sich wiederum nicht mehr viel geändert. „Das zeigt, dass damals die Art den alpinen Raum zu nutzen entstanden ist, wie es noch heute geschieht“, erklärt der Pflanzenforscher.

Manchmal sei in den Bohrkernen auch Erbgut von Säugetieren zu finden, sie sei aber schwieriger nachzuweisen, weil in der Regel weniger DNA von ihnen im See landet als von Pflanzen. Dafür wären Kuh-, Ziegen- oder Schaf-Erbgut in den Sedimenten – die wahrscheinlich meist von ihren Exkrementen stammen – direkte Hinweise auf menschliche Nutzung rund um die Seen. Bei besagten Seen habe man dazu aber noch keine verlässlichen Daten, berichtet Tribsch.

Die Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) findet seit 2005 jährlich Anfang Mai in Wien statt, heuer wurden von den Veranstaltern 15.000 Wissenschaftler erwartet. Die Konferenz wurde wegen der Corona-Pandemie für dieses Jahr jedoch in die virtuelle Welt verlegt und wird vom 4. bis 8. Mai als „Sharing Geoscience Online“ durchgeführt.