Dass Xiang-Dong Fu nun mit einer spektakulären Studie im Fachblatt „Nature“ zum neuen Star der Neurobiologie avanciert, hätte bis vor Kurzem auch er selbst nicht für möglich gehalten. Der Molekularmediziner von der University of California in San Diego hat sich im Verlauf seiner bisherigen Karriere vor allem mit der RNA und deren Wechselwirkung mit Proteinen beschäftigt. Doch dann kam ein Experiment, das alles änderte.
Überraschende Verwandlung
Vor ein paar Jahren untersuchte einer von Fus Postdocs das Molekül PTB – das Protein kann wegen seiner Fähigkeit, an RNA zu binden, als eine Art Ein-Aus-Schalter von Genen fungieren und bot sich daher für genauere Analysen an. Der in dieser Situation übliche Arbeitsschritt: Um herauszufinden, was das Protein tut, entfernt man die entsprechende Gensequenz aus dem Erbgut – und hofft auf sichtbare Veränderungen. Die Versuche mit Zellen des Bindegewebes, Fibroblasten, gingen zunächst eher schlecht voran. Bis Fus Mitarbeiter eine seltsame Veränderung auffiel. Die Fibroblasten waren plötzlich fast vollständig verschwunden, stattdessen befanden sich lauter Nervenzellen im Kulturfläschchen.
Wie sich später herausstellte, wirkt PTB offenbar wie eine Weiche in der Zellentwicklung. Und zwar nicht bloß bei Fibroblasten, sondern bei allen möglichen Gewebetypen. Dass sich daraus auch mögliche Therapien ergeben könnten, beweisen Fu und sein Team nun im Tierversuch.
Neuronen wachsen nach
Die Forscher injizierten an Parkinson erkrankten Mäusen einen viral verpackten Hemmstoff ins Mittelhirn, wo dann lokal die Bildung von PTB verhindert wurde. Resultat: Die an dieser Stelle befindlichen Stützzellen des Nervengewebes – sogenannte Astrozyten – wandelten sich in arbeitsfähige Neuronen um. Das hatte unmittelbare Effekte auf das Krankheitsbild der Mäuse, die pathologisch niedrigen Dopaminwerte im Striatum des Großhirns erreichten wieder Normalniveau, die für Parkinson typischen Symptome verschwanden vollständig.

„Als ich das gesehen habe, war ich überwältigt“, sagt Co-Autor William Mobley. „Diese Strategie ermöglicht völlig neue Möglichkeiten für die Behandlungen von neurodegenerativen Krankheiten. Vielleicht können wir sogar Patienten helfen, bei denen die Krankheit schon weit fortgeschritten ist.“
Bisher: ein Machbarkeitsbeweis
Bis es zu Versuchen am Menschen kommt, sind freilich noch einige Fragen zu beantworten. Erstens ist bisher nicht klar, ob und wie menschliche Astrozyten auf die Behandlung ansprechen. Zweitens gilt es zu beweisen, dass die Methode sicher, nebenwirkungsfrei und außerdem effizient genug ist. Bei den Tierversuchen wandelten sich etwa 40 Prozent der infizierten Astrozyten in Neuronen um – das sei zwar schon ganz gut, schreibt Ernest Arenas vom schwedischen Karolinska-Institut in einem Begleitkommentar zur Studie, aber noch zu wenig für die klinische Praxis.
Xiang-Dong Fu ist optimistisch, dass er diese Hürden nehmen wird. „Ich träume schon von klinischen Studien, nicht nur von der Behandlung von Parkinson, sondern auch von anderen Krankheiten, bei denen es zum Verlust von Nervenzellen kommt. Zum Beispiel Alzheimer oder Schlaganfälle.“ Perspektiven, sagt Fu, gäbe es genug. So sei es etwa auch denkbar, PTB in anderen Gehirnregionen quasi als Verjüngungskur einzusetzen – und so erbliche Hirnschäden zu kurieren. „Ich werde wohl den Rest meiner Karriere damit verbringen, diese Fragen zu beantworten.“