3D-Darstellung von Nervenzellen im Gehirn
whitehoune – stock.adobe.com
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Gedächtnis

Manche Wörter sind unvergesslich

An manche Begriffe erinnert man sich besser als an andere, z. B. an „Teich“ im Gegensatz zu „Wolke“. Dieses überraschende Ergebnis eines Experiments dürfte damit zu tun haben, wie bzw. wo die Wörter im Gedächtnis gespeichert sind. Ähnlich wie eine Suchmaschine sucht es dort, wo das Netzwerk am dichtesten ist.

Mehr als zehntausend Wörter umfasst der durchschnittliche aktive Wortschatz in vielen Sprachen, so auch in Deutsch oder in Englisch. Kennen oder erkennen können die meist Sprecherinnen und Sprecher noch eine deutlich größere Menge, unter anderem Fremdwörter oder einfach Begriffe, die im Alltag nicht so häufig vorkommen. Dass man sich an letztere nicht so gut erinnern kann, ist logisch. Aber unser Gehirn dürfte auch beim Kernwortschatz zwischen wichtigen und weniger wichtigen Begriffen unterscheiden, wie die Forscherinnen und Forscher um Weizhen Xie von den US-amerikanischen National Institutes of Health in Bethesda nun festgestellt haben.

Auf den ersten Blick war dem Team allerdings nicht ganz klar, was dabei den Unterschied ausmacht. Denn man erinnert sich beispielsweise besser an „Schwein“ („pig“) und „Tür“ („door“) als an „Katze“ (cat) und „Straße“ („street“) – zumindest war das ein Ergebnis der kürzlich in „Nature Human Behaviour“ erschienenen Studie.

Gar nicht so subjektiv

Bei der ersten von zwei Teilstudien mussten sich 30 Probandinnen und Probanden, deren Gehirnaktivität aufgrund einer Epilepsie-Erkrankung gerade mit Hilfe von Elektroden aufgezeichnet wurde, an Wörter erinnern. Aus einer Gesamtanzahl von 300 Substantiven bekamen sie zuerst zufällig ausgewählte Begriffspaare präsentiert. Nach einer Pause und einer gezielten Ablenkung, wurde ihnen jeweils einer der Begriffe vorgelegt, an den zweiten sollten sie sich erinnern. Derselbe Ablauf wurde später mit mehr als 2.600 Online-Teilnehmerinnen und Teilnehmer wiederholt. In 30 bis 50 Prozent der Fälle lieferten die Testpersonen die gesuchte Antwort, wobei eben manche Begriffe besonders erinnerungswürdig waren: So konnten sich z.B. die meisten besser an „Puppe“ („doll“) erinnern als an „Wolke“ („cloud“).

Laut den Autoren ist das insofern überraschend, da Erinnerung und Gedächtnis insgesamt etwas höchst Subjektives sind. D.h., woran wir uns besonders gut erinnern und wie, hängt vor allem mit unseren individuellen Erfahrungen und Erlebnissen zusammen. Aber offensichtlich gibt es auch allgemeingültige Kriterien, die entscheiden wie einprägsam etwas ist. Ähnliches kennt man auch von Gesichtern – manche Züge merken sich alle Menschen besser. Hier dürften unter anderem besonders augenfällige Merkmale wie z.B. eine große Nase entscheidend sein.

Lexikon als Netzwerk

Solche naheliegenden Erklärungen konnte das Team um Xie bei den einprägsamen Begriffen allerdings ausschließen. So lag es etwa nicht daran, wie häufig die Wörter im Durchschnitt verwendet werden. Es scheint auch egal zu sein, ob es sich um einen konkreten Begriff wie „Motte“ oder um einen abstrakten wie „Chef“ handelt, heißt es in einer Aussendung.

Schematische Darstellung des Begriffsnetzwerks im Gehirn
Courtesy of Zaghloul lab, NIH/NINDS
Begriffsnetzwerk im Gehirn

Wie gut man sich an ein Wort erinnert, dürfte vielmehr daran liegen, wie unsere Begriffsgedächtnis organisiert ist. Man kann es sich wie ein Netzwerk vorstellen, in dem inhaltliche ähnliche Begriffe einander näher sind. Versucht man sich gezielt zu erinnern, hantelt man sich entlang der Kanten von Wort zu Wort. Je weiter der Weg, umso länger dauert auch die Suche. Semantische Nähe erleichtert sie hingegen.

Wie eine Suchmaschine

Ist ein Begriff mit vielen oder sogar mit allen anderen auf einem relativ kurzen Weg verbunden, ist er semantisch zentral – er liegt sozusagen an den dichtesten Stellen des Netzwerks. Ähnlich wie eine Suchmaschine beginnt unser Gedächtnis an diesen „Hauptumschlagplätzen“ zu suchen und wird auch am schnellsten fündig.

Diese Kernthese haben die Studienautoren in ein mathematisches Modell gegossen. Gefüttert haben sie es mit statistischen Daten aus realen Texten in Büchern, Zeitungen und im Internet und dann für die 300 in der Studie verwendeten Wörter berechnet, wie semantisch zentral bzw. wie einprägsam sie sind. Das Ergebnis deckte sich tatsächlich mit den experimentellen Ergebnissen. D.h., es waren dieselben Begriffe, die sich die Testpersonen in beiden Experimenten besonders gut gemerkt hatten.

Zusätzliche Auswertungen ergaben, dass diese Wörter auch besonders schnell gefunden wurden. Außerdem wurden sie besonders oft als falsche Antwort genannt, was ebenfalls dafür spricht, dass sie an prominenter Stelle gespeichert sind. Auch die aufgezeichneten Gehirnaktivitäten bestätigten die These, dass das menschliche Gedächtnis bei der Suche nach Begriffen ähnlich wie ein Computer oder ein Tier auf der Jagd vorgeht. Vermutlich ist diese Strategie am effizientesten.