Nobelpreis-Medaille
APA/dpa
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Nobelpreis

Nur wenige Fachgebiete ausgezeichnet

Wer einen Nobelpreis gewinnen möchte, sollte sich auf Teilchenphysik oder Zellbiologie spezialisieren. Das sind zwei der fünf Bereiche, die in den letzten Jahrzehnten mehr als die Hälfte aller Auszeichnungen kassiert haben. Viele naturwissenschaftliche Fachgebiete erhielten hingegen nie einen Preis.

Drei wissenschaftliche Nobelpreise werden jedes Jahr vergeben, für Chemie, Physik und Medizin. Manche Forschungsbereiche haben daher schon grundsätzlich keine Chance, jemals die höchste aller Auszeichnungen zu erhalten. Dennoch sei das Spektrum der Arbeiten, die ausgezeichnet werden könnten, sehr breit, schreiben die Forscherinnen und Forscher um John P. A. Ioannidis von der Stanford University in ihrer soeben in „PLOS ONE“ erschienenen Studie, denn theoretisch wären sämtliche naturwissenschaftliche und biomedizinische Forschungsfelder wählbar.

Wie viele tatsächlich zum Zug kommen, hat das Team nun auf Basis von bibliographischen Angaben der Scopus-Datenbank berechnet. 63 Millionen Publikationen von 1995 bis 2017 wurden erfasst. Angeordnet wurden sie auf einer Karte in zwölf großen Disziplinen bzw. 114 kleineren Subbereichen, um zu schauen, aus welcher Gegend die Nobelpreise in ebendiesen Jahren stammten.

76 ohne Preis

In 36 Subdisziplinen wurde zumindest einmal ein Nobelpreis vergeben. Mehr als die Hälfte der 69 berücksichtigten Auszeichnungen teilen sich jedoch auf nur fünf Fachgebiete auf: Teilchenphysik, Zellbiologie, Atomphysik, Neurowissenschaften und Molekularchemie. Dabei stammten nur zehn Prozent aller erfassten Publikationen aus diesem Bereich.

Statue von Alfred Nobel in Stockholm
AFP/JONATHAN NACKSTRAND
Alfred Nobel, der Stifter des prestigeträchtigen Preises

Außerdem wurden die preisgekrönten Arbeiten deutlich seltener zitiert als hunderte andere Papers. Wie die Studienautoren einräumen, sind Zitationen natürlich nur ein ungenaues Maß dafür, wie einflussreich Forschungsarbeiten tatsächlich sind. Dennoch können sie ein Hinweis auf eine gewisse Verzerrung bei der Preisvergabe sein.

Für 76 Subdisziplinen blieb der von Alfred Nobel gestiftete Preis jedenfalls in all den Jahren unerreicht, darunter beispielsweise die medizinischen Fachgebiete der Augenheilkunde, der Anästhesie und der Endokrinologie sowie Plasmaphysik, Strömungsmechanik und Umweltchemie.

Mehr Preise

Warum manche Bereiche offensichtlich so viel mehr Aufmerksamkeit erhalten, bleibt indes unklar. Der enge Fokus könnte laut Ioannidis und Co. aber dazu führen, dass privilegierte Gebiete noch privilegierter werden. Denn Nobelpreise beeinflussen auch, wo Fördergelder hinfließen und welche Publikation die Fachjournale bevorzugen. Auch auf universitärer bzw. institutioneller Ebene bringe die Auszeichnung Vorteile. Sogar die öffentliche Wahrnehmung werde davon geprägt. Wenn das Prestige so ungleich zwischen den Fachbereichen verteilt ist, entstehe letztlich eine Art Zwei-Klassen-Wissenschaft.

Die Studienautoren und -autorinnen haben auch Ideen, wie man dem Dilemma entkommen könnte. Neue, ähnlich prestigeträchtige Preise ins Leben zu rufen, wäre z.B. eine Lösung. „Während in einem Gebiet einer von 1.000 Forschern einen so denkwürdigen Preis bekommen kann, wird von den 10.000en in einem anderen Feld niemals irgendjemand ausgezeichnet“, meint Ioannidis in einer Aussendung. Als Beispiel für einen solchen zusätzlichen Preis nennt er den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften; der habe die Gewinnchancen für Wirtschaftsforscher und -forscherinnen schlagartig erhöht.