Politiker sitzen an einem Besprechungstisch: Regierungstreffen im Bundeskanzleramt in Wien
APA/HANS PUNZ
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Auftragsforschung

Regeln für mehr Transparenz

Mit Wissenschaft wird gerne Politik gemacht. Das merkt man in Zeiten des Coronavirus besonders, das war aber schon vorher der Fall. Die beiden Forschungsinstitute WIFO und IHS wollen dem Einhalt gebieten und präsentierten am Mittwoch Regeln für mehr Transparenz bei Studien, die etwa von der Politik beauftragt werden.

Im Frühjahr sorgte ein „Mathematiker-Papier“ für Furore: Hat die Politik ein Expertenpapier missbraucht, um damit unliebsame Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zu rechtfertigen? Diese Frage wurde damals intensiv diskutiert. Der Umgang mit Auftragsforschung sei in Österreich kontrovers, kritisiert Christoph Badelt, Leiter des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) anlässlich der heutigen Präsentation eines gemeinsam mit dem Institut für Höhere Studien (IHS) unterzeichneten Memorandum of Understanding.

Zwar wird betont, dass es keinen konkreten Anlassfall für die Ausarbeitung der Prinzipien der wissenschaftlichen Integrität für Auftragsstudien gegeben hätte, dennoch wollen WIFO und IHS damit Bewusstseinsbildung betreiben und ein klares Signal an Auftraggeberinnen und Auftraggeber senden.

Wissenschaft lebt von der Veröffentlichung

„Die Veröffentlichung ist ein konstituierendes Prinzip des wissenschaftlichen Arbeitens“, betont Christoph Badelt. Nicht nur müssen Forschungsinstitute unabhängig wissenschaftlich arbeiten können, die Auftragsarbeiten müssen auch veröffentlicht werden – zumindest grundsätzlich. Es soll zwar weiterhin Ausnahmen von dieser Regel geben, diese müssen aber begründet und schriftlich festgehalten werden.

So soll es weiter möglich sein, dass Auftraggeberinnen und Auftraggeber gewisse Fragestellungen wissenschaftlich bearbeiten lassen, ohne damit gleich an die Öffentlichkeit zu gehen. Das soll jedoch nicht der Regelfall sein. Wie zurückhaltend Auftraggeberinnen und Auftraggeber bisweilen mit Forschungsergebnissen umgehen, zeigt das Beispiel der österreichischen Bundesregierung. Von 206 zwischen Juni 2019 und August 2020 in Auftrag gegebenen Studien wurden nur 119 veröffentlicht.

Forschung ist keine Politikberatung

Was nicht mehr möglich sein soll, wenn es nach WIFO und IHS geht: Dass Studien oder einzelne Ergebnisse öffentlich diskutiert oder als Argumente in der öffentlichen Debatte angeführt werden, ohne sie zu veröffentlichen. „Denn die Wissenschaftlichkeit steht und fällt mit der Überprüfbarkeit“, betont Badelt. Darüber hinaus sei Transparenz in der Wissensproduktion eine wichtige Bedingung für einen offenen Diskurs.

Forschungseinrichtungen wie das IHS und das WIFO würden keine Politikberatung betreiben, stellt Martin Kocher, Direktor des IHS, klar. Während bei einer solchen Vertraulichkeit ein zentrales Kriterium ist, sei das bei wissenschaftlichen Studien nicht der Fall. Für diese gelten die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, wie etwa Nachvollziehbarkeit oder die klare Kennzeichnung und Zitation.

Die Großen wollen Vorreiter sein

Auch was die öffentliche Diskussion von Studienergebnissen betrifft, plädieren IHS und WIFO für einen verantwortungsvollen Umfang. Will man gesellschaftspolitisch relevante Fragen beantworten, brauche man dafür nicht nur eine breite, empirische Evidenz, sondern man müsse auch auf die Grenzen der Aussagekraft einer einzelnen Studie hinweisen. Faktoren, die im Eifer der politischen Debatte schnell mal übersehen werden.

Das Memorandum will mit seinen 15 Prinzipien ein transparentes und nachvollziehbares Regelwerk für den Umgang mit Auftragsforschung darstellen, dem sich, so die Hoffnung von WIFO und IHS, bald weitere außeruniversitäre Forschungseinrichtungen anschließen werden. Die einzige Voraussetzung dafür ist eine Mitgliedschaft in der Österreichischen Agentur für Wissenschaftliche Integrität. Die 2008 gegründete Agentur wird bei Verdachtsfällen als unabhängige Instanz fungieren.