Österreichische Soldaten vor der Gedenkstätte Mauthausen
AFP/ALEXANDER KLEIN
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Mauthausen

Soldaten sollen gezielt gedenken

Bei der Erinnerung an den Holocaust übernimmt das ehemalige KZ Mauthausen eine wichtige Vermittlerrolle, unter anderem besuchen Polizisten im Rahmen ihrer Ausbildung die Gedenkstätte. Demnächst sollen hier auch Grundwehrdiener und Offiziere darüber nachdenken, dass Befehl nicht gleich Befehl sein muss.

Über die KZ-Gedenkstätte Mauthausen sagt Direktorin Barbara Glück, es sei wohl die größte außerschulische Bildungseinrichtung Österreichs. Hierher kommen Menschen aus allen Alters- und Bildungsschichten und besuchen Workshops, Ausstellungen oder machen Rundgänge. Aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen, das sei der zentrale Bildungsauftrag. Polizistinnen und Mitarbeiter der österreichischen Justiz besuchen diesen Ort schon seit Jahren im Rahmen ihrer Ausbildung, um etwas über die Geschichte zu lernen – und auch, um ihr eigenes Berufsverständnis zu reflektieren.

Befehle hinterfragen

In ihren Ausbildungsstätten bereiten sie den Besuch intensiv vor, auch hier sind Mitarbeiter der Gedenkstätte Mauthausen eingebunden. Der Rundgang vor Ort ist speziell auf die jeweilige Berufsgruppe zugeschnitten. Für Polizisten dauert er bis zu vier Stunden, so Gudrun Blohberger, pädagogische Leiterin der Gedenkstätte Mauthausen.

Eine der zentralen Fragen für Polizistinnen und Polizisten sei die nach der Befolgung von Befehlen. „Was bedeutet es, Befehle zu erhalten und diese ausführen zu müssen und wieviel Raum bleibt hier noch für Handlungsspielräume?“, damit beschäftigten sich viele Polizisten, so Blohberger.

“Mühlviertler Hasenjagd“

In der NS-Zeit haben manche Polizisten oder Soldaten die Befehle besonders eifrig und brutal ausgeübt, andere versuchten, Gewalt oder Töten zu vermeiden oder widersetzten sich aus moralischen Gründen. In Mauthausen gehe man dabei oft das Beispiel der sogenannten Mühlviertler Hasenjagd durch.

Gedenkstätte Mauthausen
APA/HARALD SCHNEIDER

Im Februar 1945 flohen hunderte sowjetische Häftlinge aus dem KZ Mauthausen. Die SS-Lagerleitung rief zur Jagd und zur Ermordung der Geflohenen auf. Nicht nur die SS, SA, Hitlerjugend und Wehrmacht, Polizei und Feuerwehr beteiligten sich an dieser Menschenjagd, sondern auch die Zivilbevölkerung.

Doch nicht alle befolgten den Befehl gleichermaßen eifrig, erklärt Blohberger dann den Polizisten: „Da kann man sehr gut nachzeichnen, wie unterschiedlich in dieser Situation die lokale Gendarmerie auf die Befehle der SS reagiert hat. Die einen haben in vorauseilendem Gehorsam sehr brutal die Ausgebrochenen gestellt und eigenhändig ermordet. Andere sind zwar dem Befehl zur Festnahme nachgekommen, haben jedoch keine anderweitige Gewalt ausgeübt“, so Blohberger.

Blick auf die Gegenwart

Nach einem Blick in die Geschichte erzählen die Polizisten aus ihrem Berufsalltag und von ihren persönlichen Handlungsspielräumen. Jemand brachte dabei schon einmal das Beispiel von einem Abschiebungsbefehl, der mitten in der Nacht kam. „Die Polizistinnen und Polizisten hatten die Möglichkeit zu sagen: Okay, sie erfüllen diesen Befehl, fahren in die Unterkunft und holen Frauen und Kinder ab, oder sie zögern das noch so lange hinaus, bis es zumindest Tag ist und sie die Frauen und Kinder nicht aus dem Bett holen müssen und sie noch mehr verängstigen, als sie unter Umständen ohnehin schon verängstigt sind“, fasst Gudrun Blohberger die Erzählungen der Polizisten zusammen.

Uniform unerwünscht

Ein weiteres Thema ist die Uniform. Soll man sie bei einem Besuch der Gedenkstätte tragen oder lieber nicht? „Es spricht dafür, dass sie die Uniform tragen, weil sie dann auch im Bewusstsein ihres Berufes an die Gedenkstätte kommen“, so Gudrun Blohberger. Andererseits müssen sich die Polizistinnen fragen, wie die anderen Besucher der Gedenkstätte auf diese Uniform reagieren werden.

„Wenn Angehörige von KZ-Opfern an der Gedenkstätte sind, finden die das oft sehr befremdlich und irritierend, denn sie verbinden mit den Uniformen eben diese furchtbare Gewalt, die früher von dieser Berufsgruppe an diesem Ort ausgegangen ist“, so Blohberger. Das biete andererseits aber auch Anreiz zur Reflexion, „und daraus ergeben sich oft fruchtbare Diskussionen“, meint sie.

Kooperation mit Bundesheer

Derzeit wird an einer Kooperation mit dem österreichischen Bundesheer gearbeitet. Direktorin Barbara Glück von der KZ-Gedenkstätte Mauthausen hofft, in Zukunft auch in den Ausbildungsstätten der Grundwehrdiener und Offiziere die Expertise aus Mauthausen mit einbringen zu können.

„Wir schauen uns gemeinsam die Inhalte an, die da vermittelt werden und können auch gezielter vorbereiten auf Besuche von KZ-Gedenkstätten und dann eben selbst auch den Besuch von Soldatinnen und Soldaten an den Gedenkstätten betreuen“, so Glück.

Im Oktober unterzeichneten die KZ-Gedenkstätte Mauthausen und das Verteidigungsministerium die Kooperationserklärung, die Details der Zusammenarbeit werden derzeit noch erarbeitet. Geplant sind Gedenkstättenbesuche, aber auch die gemeinsame Erarbeitung von Inhalten zum Thema „Totalitarismus, Rassismus und Antisemitismus“ am Beispiel der Geschichte des ehemaligen KZ Mauthausen.