Zukunftsfonds

Erinnern mit Blick nach vorne

Forschung über Besatzungskinder, Studienfahrten nach Auschwitz oder die Liveübertragung des „Fest der Freude“ dieses Jahr: Der Österreichische Zukunftsfonds fördert nicht nur das Gedenken in Österreich, sondern fordert auch eine zukunftsorientierte Erinnerungskultur. Eine Studie zum 15-jährigen Bestehen zieht Bilanz.

Der Österreichische Zukunftsfonds ist der zentrale Fördertopf für Projekte, die sich mit den Verbrechen des Nationalsozialismus in Österreich auseinandersetzen, oder Toleranz und Demokratie fördern wollen. „Der Fonds steht sowohl aktiv in Form seiner Fördertätigkeit, als auch symbolisch für den immerwährenden Auftrag des ‚Niemals wieder!‘.“, sagt Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Kriegsfolgenforschung und Autorin der Studie „Auftrag Zukunft: 3000 Zeichen für Gedenken, Toleranz und Demokratie“.

Am Anfang umstritten

Ende des Jahres werden es rund 3.000 Projekte sein, die der Zukunftsfonds gefördert haben wird. Der Fonds ist aus der österreichischen Förderlandschaft nicht mehr wegzudenken. Das war aber nicht immer so. Bei seiner Einrichtung vor 15 Jahren war der Fonds umstritten. Zwar war man sich politisch einig, dass die Restmittel aus dem Versöhnungsfonds, mit dem die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der NS-Zeit entschädigt wurden, dem Gedenken gewidmet werden sollen, uneinig war man sich jedoch, wie man den neuen Fonds konkret aufsetzen will.

Kritisiert wurde beispielsweise von den damaligen Oppositionsparteien SPÖ und Grüne, dass neben der Aufarbeitung des Nationalsozialismus und dem Gedenken an die Opfer auch die Erforschung totalitärer Systeme zu den Aufgaben des Fonds zählen. „Das ist damals eine wichtige und richtige Entscheidung gewesen, totalitäre Systeme generell auch mitzubearbeiten“, sagt Stelz-Marx und nennt als Beispiel ein Projekt, das am Ludwig Boltzmann Institut durchgeführt wurde. Es beschäftigte sich mit dem Schicksal sowjetischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener nach der Repatriierung und somit mit einer Gruppe von Menschen, die Opfer von zwei totalitären Regimen war.

Von Zwangsarbeit bis zu Demokratie

Der Schwerpunkt der Fördertätigkeit lag zu Beginn auf der Aufarbeitung der Zwangsarbeit im dritten Reich. Ein Themenschwerpunkt, der auch die Entstehungsgeschichte des Fonds widerspiegelt. Im Laufe der Jahre wurde das thematische Spektrum des Zukunftsfonds jedoch vielfältiger. „Seit 2015 hat sich der Zukunftsfonds auch den großen Themen Demokratie, Europa, Asyl, Migration und Menschenrechte verschrieben“, erklärt Studienautorin Katharina Bergmann-Pfleger vom Ludwig Boltzmann Institut.

Die Projekte müssen nicht nur im Einklang mit der inhaltlichen Zielsetzung des Fonds stehen, sondern auch nachhaltig sein. Sie sollen eine breite Öffentlichkeit adressieren und auch für spätere Generationen nutzbar sein, beispielsweise in Form von Webseiten, Filmen oder Publikationen. Hinter der Vielfalt an Projekten, die der Fonds in den letzten 15 Jahren förderte, stecke keinesfalls Beliebigkeit, betont Bergmann „Wenn wir Bewusstseinsbildung über alle Bevölkerungsschichten entfalten wollen, dann geht das gar nicht anders, als dass der Zukunftsfonds ein breites Spektrum an verschiedenen Projekten fördert.“

Zukunftsorientierte Erinnerungskultur

Seit der Fonds besteht hat sich die Anzahl der Projektanträge mehr als verdreifacht. Fast 400 Anträge wurden letztes Jahr eingereicht. Gerade die Ereignisse der letzten Monate, die antisemitischen Anschläge auf die jüdische Gemeinde in Graz oder der Terroranschlag in Wien, würden zeigen wie wichtig eine gezielte und zukunftsorientierte Erinnerungskultur ist, die sich für Toleranz und gegen das Wegschauen einsetzt, sagt die Historikerin Barbara Stelzl-Marx. Es sei wichtig sich aktuellen Formen von Rassismus, Antisemitismus, Radikalisierung, Hass und Gewalt zu widmen und ihnen entgegenzuwirken.

Ein Projekt, dem es gelingt Vorurteile abzubauen und Antisemitismus vorzubeugen, ist beispielsweise „LIKRAT“. Likrat ist hebräisch und bedeutet „auf jemanden zugehen“. Seit mittlerweile fünf Jahren besuchen jüdische Jugendliche im Rahmen dieses Dialogprojekts der Israelitischen Kultusgemeinde Wien Schulklassen, um sich und ihr Judentum vorzustellen. Der Zukunftsfonds gehört zu einen der beiden Hauptförderer des Projekts.

Relevanz und Anschlussmöglichkeit

Die Bedeutung des Österreichischen Zukunftsfonds als Fördergeber für zeithistorische, geistes- oder kulturwissenschaftliche Forschungsprojekte sei in den letzten Jahren immer wichtiger geworden, sagt Stelzl-Marx. In diesen Forschungsbereichen seien nämlich einige andere Fördertöpfe weggefallen. „Da ist der Zukunftsfonds mittlerweile einer der wenigen Fonds, der überhaupt noch in dieser Bandbreite Initialförderungen liefert“, betont auch Katharina Bergmann. Selten könnten Forschungsprojekte durch einen Fördergeber allein gestemmt werden. Der Fonds liefere aber eine Anschubfinanzierung, auf die man aufbauen kann.

Die geförderten Forschungsprojekte würden nicht nur Forschungslücken füllen, sondern meist auch Folgeprojekte mit sich bringen. Stelzl-Marx nennt das Beispiel eines Forschungsprojekts über Besatzungskinder in Österreich. Dieses ging nicht nur einher mit einer wissenschaftlichen Konferenz und einer Buchpublikation, sondern mündete in einem EU-Projekt zum Thema „Kinder des Krieges im 20. Jahrhundert“.

Die Förderungen des Zukunftsfonds würden nachhaltig wirken. Neben einer großen Bandbreite an Vermittlungsangeboten werden dadurch auch Folgeprojekte angestoßen und neue Forschungsfragen aufgeworfen, so das Resümee der Studienautorinnen. „Es bleibt zu hoffen, dass in der Zukunft weitere 3.000 Zeichen für Gedenken, Toleranz und Demokratie dazukommen werden.“