Trockenheit: Zitterpappeln ohne Blätter
William Anderegg
William Anderegg
Klimawandel

Kippt der Kohlenstoffkreislauf?

Die kontinentalen Ökosysteme nehmen derzeit mehr CO2 auf, als sie an die Atmosphäre abgeben. Doch das Verhältnis könnte sich laut einer Studie schon in 20 bis 40 Jahren umkehren – mit möglicherweise dramatischen Folgen für das Weltklima.

30 Prozent des von der Menschheit ausgestoßenen Kohlendioxids absorbieren die Landökosysteme momentan. Der Wert ist in den letzten Jahrzehnten stetig angestiegen, die Pflanzen haben sich also an die höheren CO2-Werte in der Atmosphäre angepasst, die Frage ist nur: Wie lange geht das noch so weiter? Um das zu beantworten, hat ein Forscherteam um den Klimaforscher Christopher Schwalm nun den Stoffaustausch zwischen Bio- und Atmosphäre unter die Lupe genommen.

Von der Senke zur Quelle

Die Daten des Messnetzwerkes Fluxnet zeigen: Gerade jene Ökosysteme, die am meisten CO2 speichern, etwa die Regenwälder oder die borealen Nadelwälder, könnten bereits Mitte des Jahrhunderts ihre Limits überschreiten – und mehr als 45 Prozent ihrer Fähigkeit zur Kohlenstoffspeicherung verlieren. Bis Ende des Jahrhunderts wäre laut der Analyse in „Science Advances“ der Wendepunkt bei etwa der Hälfte aller Landökosysteme erreicht. Sie würden dann mehr CO2 abgeben als aufnehmen.

Hintergrund dieser alarmierenden Prognose ist die Temperaturabhängigkeit von zwei grundlegenden Vorgängen in Pflanzenzellen. Die Zellatmung (bei der CO2 frei wird) profitiert von steigenden Temperaturen, die Photosynthese indes hat einen Schwellenwert: Ist die kritische Temperatur erreicht, sinkt die Fähigkeit zur CO2-Aufnahme. Das ist der Grund, warum sich die Vegetation durch den Klimawandel von einer CO2-Senke zur CO2-Quelle verwandeln könnte.

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Was das für die Entwicklung der globalen Temperaturen bedeutet, lässt sich noch nicht in Zahlen ausdrücken. Schwalm und sein Team versuchen gerade die Messergebnisse in Klimamodelle einzupflegen, klar sei jetzt schon: „Bisher hat die Vegetation den Klimawandel abgebremst. Wenn sie sich in eine CO2-Quelle verwandelt, wird sie den Klimawandel beschleunigen.“

Nicht alle Klimaforscher überzeugt

Das deutsche Science Media Center hat im Vorfeld der Publikation einige Reaktionen aus der Fachgemeinde eingeholt, Matthias Forkel von der TU Dresden bezeichnet die Studie etwa als „sehr informativ“, es gibt aber auch Kritik. Ein Schwachpunkt der Studie könnte sein, dass der Wasserhaushalt statistisch aus den Daten herausgefiltert wurde. Der Hinweis sei korrekt, sagt Schwalm gegenüber dem ORF, „allerdings wären unsere Ergebnisse mit Berücksichtigung des Wasserhaushaltes noch alarmierender. Im Regenwald Brasiliens sehen wir jetzt schon, dass der Klimawandel zu mehr Dürren führt. Und das bedeutet immer: Die CO2-Aufnahme nimmt ab.“

Stefan Arndt von der Universität Melbourne hat in einer noch nicht publizierten Studie eine ganz ähnliche Fragestellung untersucht und kommt – jedenfalls bei australischen Wäldern – zu einem anderen Ergebnis: Laut seinen Berechnungen sollte die steigende Temperatur nur geringe Folgen für die Kohlenstoffbilanz haben. Unter anderem deswegen, weil die Vegetation nur in Hitzeperioden an ihre Belastungsgrenze geraten dürfte, nicht aber im Rest des Jahres. Stoff für weitere Debatten gibt es also.

Lässt sich aus den Ergebnissen eine Botschaft an die politischen Entscheidungsträger ableiten? Schwalm ist skeptisch: „Ganz ehrlich, wenn sie es bis jetzt nicht begriffen haben, dann wird sie diese Studie auch nicht dazu bewegen. Es ist ganz klar, dass wir einen globalen Ansatz brauchen.“