Heute ist Welttag der Umweltbildung. Das Haus der Geschichte in Wien nimmt dies zum Anlass und bietet im Rahmen seiner Ausstellung „Neue Zeiten – Österreich seit 1918“ einen neuen Audioguide zur Umweltgeschichte Österreichs an. Die Schau ist auch Lockdown-tauglich. Die zwölf Stationen können von zu Hause aus via Smartphone oder Computer angehört werden.
Startpunkt ist die Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Damals hat der massive Eingriff in die Landschaft begonnen – und damit auch die Verschmutzung von Boden, Gewässern und Luft, erklärt die Leiterin der Kulturvermittlung im Haus der Geschichte, Eva Meran. Die gravierenden Folgen seien in dieser Zeit noch kein Thema gewesen.
Unterwerfung und Idealisierung im Faschismus
Im Austrofaschismus und während des Nationalsozialismus wurde die Umwelt dann symbolisch aufgeladen und politisch instrumentalisiert. „Wenn man sich die damaligen Reden anhört oder liest, was in dieser Zeit dazu geschrieben wurde, dann wurde die wilde Natur sozusagen als Gegenspieler stilisiert, die es galt zu bezwingen.“ Die Großglockner-Hochalpenstraße und das Kraftwerk in Kaprun sind zwei Beispiele dafür. Gleichzeitig wurde das bäuerliche Leben idealisiert. Engelbert Dollfuß – Landwirtschaftsminister und von 1932 bis 1934 Bundeskanzler Österreichs – glorifizierte seine bäuerliche Abstammung, schildert die Kunsthistorikerin. „Er wurde als Sohn der Scholle bezeichnet.“
In der Ausstellung ist auch eine Schatulle zu sehen, die sogenannte „heilige Erde aus der ‚Ostmark‘ enthält. Wir gehen hier auf die Blut- und Boden-Ideologie ein, die eine Verbindung zwischen einer vermeintlichen Rasse und dem Boden vorgibt.“
Wirtschaftswachstum im Fokus
Nach dem Krieg galt alle Anstrengung dem wirtschaftlichen Aufbau. Die umweltschädlichen Folgen spielten dabei keine Rolle. Erst mit der Ölpreiskrise 1973 wurde man sich bewusst, dass natürliche Ressourcen auch enden wollend sind, so Meran. Als Antwort setzte man auch in Österreich zunächst auf die Kernkraft.
Audiofile: Werbung der Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld GmbH – die das Kernkraftwerk Zwentendorf betreiben hätte sollen.
Zwentendorf und Hainburg brachten Umdenken
In Zwentendorf sollte das erste Kernkraftwerk Österreichs errichtet werden. Zunächst regte sich dagegen nur mäßiger Protest. „Eine Grupe von acht Leuten ging auf die Straße. Solche Proteste beginnen oftmals klein und wachsen sich dann aus.“ Am Ende marschierten 6.000 bis 8.000 Menschen aus ganz Österreich vor dem Kernkraftwerk auf. Schließlich sprach sich in eine Volksabstimmung 1978 eine knappe Mehrheit gegen die Inbetriebnahme aus.
Heute ist die Stromerzeugung mittels Atomenergie in Österreich per Verfassungsgesetz untersagt. „Das war ein Meilenstein in der Entstehung und in der Entwicklung einer Zivilgesellschaft“, sagt Meran. Die Besetzung der Hainburger Au 1984 sei ein weiteres Beispiel dafür. „Das dann ja auch in die Gründung und den Einzug der Grünen Partei in den Nationalrat mündete.“
Reizthema Gentechnik
Mitte der 1990er Jahre geriet ein weiteres Thema in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit: die Gentechnik. Die Umweltschutzorganisation „Global 2000“ fuhr eine große Kampagne. 1997 wurde das bis heute zweiterfolgreichste Volksbegehren in Österreich durchgeführt – mehr als 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher unterzeichneten es und sprachen sich damit explizit gegen die Verwendung von Gentechnik aus.
Bis heute sei Gentechnik hierzulande verpönt, beobachtet Meran. „Allerdings sind wir in vielen Bereichen von Genetechnik umgeben. Dass sie in Impfungen enthalten ist, ist uns jetzt, glaube ich, gerade sehr bewusst. Aber auch in anderen Bereichen – von Medikamenten bis zur Herstellung von Baumwolle – setzt man darauf. Es ist eine sehr aufgeheizte Diskussion, die oft gar nicht so leicht zu durchblicken ist.“
In der Umweltgeschichte Österreichs wurden und werden viele Bewegungen von der Zivilgesellschaft angestoßen. Die Ausstellung endet mit Plakaten einer ganz aktuellen: den „Fridays for Future“-Protesten, die auch direkt vor der Haustür des Museums am Heldenplatz stattfanden. Im März 2019 demonstrierten 30.000 Menschen an dem geschichtsträchtigen Ort für mehr Klimaschutz. Die Schau soll bis Ende 2022 laufen.