Neuroblastom

Natürliche „Bremse“ gegen Tumore entdeckt

Forscherinnen und Forscher der St. Anna Kinderkrebsforschung haben eine natürliche „Bremse“ gegen Neuroblastome – Tumore des peripheren Nervensystems bei Kindern – entdeckt. Ein Signalmolekül, das das Wachstum von gutartigen Neuroblastomen stoppt, helfe in der Zellkultur auch gegen die bösartige Variante.

Eine im Journal „Nature Communications“ veröffentlichte Studie beschreibt erstmals die Funktion dieses Signalmoleküls, das von den im Tumor vorhandenen Schwann-Zellen gebildet wird, – nicht nur in Tumoren, sondern auch in verletzen Nervenfasern. Die Experten der St. Anna Kinderkrebsforschung hatten dies mit Kollegen der Medizinischen Universität Wien und der Universität Wien (Fakultät für Chemie) untersucht.

Was auf den ersten Blick widersprüchlich klingt, nämlich einen Tumor mit einem Wachstumsfaktor zu befeuern, mache beim Neuroblastom Sinn, berichteten die Forscher. Dieser im Kindesalter am häufigsten vorkommende solide Tumor besteht nämlich aus unreifen Nervenzellen, die sich unkontrolliert vermehren. Im Gegensatz zu bösartigen Neuroblastomen sind in gutartigen viele Schwann-Zellen vorhanden, also jene Zellen, die Nervenzellen normalerweise schützen und reparieren können.

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass die Schwann-Zellen im Neuroblastom die Tumorzellen zur Reifung anregen und damit ihr ungebremstes Wachstum zum Stillstand bringen. Um das zu bewerkstelligen, produzieren Schwann-Zellen unter anderem ein Signalmolekül namens Epidermal Growth Factor Like 8 (EGFL8). Das Forschungsteam wies nach, dass EGFL8 die Ausdifferenzierung, also Reifung der Neuroblastom-Zellen anregt.

Vielseitiges Signalmolekül

„Bisher wusste man zwar, dass es dieses Protein gibt, aber man kannte seine Funktion nicht. Wir haben diese nun erstmals beschrieben“, erklärte Studienautorin Sabine Taschner-Mandl, Leiterin der Gruppe Tumorbiologie der St. Anna Kinderkrebsforschung. Weiters zeigen die Ergebnisse, dass eine hohe EGFL8-Expression, also die Umsetzung der Erbinformation in ein Eiweißmolekül, bei Neuroblastomen mit längerem Überleben von Patienten einherging.

„In Zellkulturen haben wir nachgewiesen, dass Schwann-Zellen und die von ihnen freigesetzten Signalmoleküle ihre Anti-Tumor-Wirkung auch bei aggressiven Neuroblastomen entfalten. Wir können somit einen in gutartigen Neuroblastomen natürlich ablaufenden Prozess nutzen, um die bösartigen zu stoppen“, erklärten Taschner-Mandl und ihre Kollegin Tamara Weiss von der MedUni Wien. Neben EGFL8 könnten auch andere, bisher noch nicht charakterisierte Schwann-Zell-Moleküle, Ansatzpunkte für Krebstherapien bieten.

Die Studie lieferte zudem eine weitere wesentliche Erkenntnis: Die Schwann-Zellen in gutartigen Neuroblastomen weisen einen ähnlichen zellulären Status auf, wie jene Schwann-Zellen, die die Heilung verletzter peripherer Nerven unterstützen. „Es ist erstaunlich, dass wir dadurch ein Signalmolekül entdeckt haben, das sowohl in der Tumorentwicklung gutartiger Neuroblastome als auch in der Regeneration verletzter Nerven eine Rolle spielt. Da EGFL8 die Bildung von Nervenzellfortsätzen stimuliert, könnte es für die Behandlung von verletzten Nervenfasern von großer Bedeutung sein“, sagte Weiss. Denkbar ist, EGFL8 und andere Faktoren, die von Schwann-Zellen gebildet werden, in der Behandlung von Nervenschäden sowie von aggressiven Neuroblastomen einzusetzen.