Philosoph Rudolf Burger vor einer Bücherwand
picturedesk.com/Robert Newald
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Nachruf

Philosoph Rudolf Burger gestorben

Sein Werdegang war ein verschlungener Pfad: Rudolf Burger begann seine Karriere als Festkörperphysiker, dann wurde er zum Wissenschaftssoziologen – und schließlich zum streitbaren Philosophen. Am 19. April ist Burger im Alter von 82 Jahren verstorben.

Als einer der Parade-Intellektuellen des Landes prägte er zahlreiche Debatten, nicht selten mit provokanten, gegen den Mainstream gerichteten Thesen. Heftige Reaktionen löste Burger etwa 1992 mit einem Gastkommentar im Nachrichtenmagazin „profil“ aus, in dem er gegen die „kriegsgeile“ Haltung der österreichischen Außenpolitik im Balkan-Konflikt Stellung bezog. Wenig später hielt er es am vernünftigsten, die Konflikte innerhalb des ehemaligen Jugoslawien „ausbluten zu lassen“.

2001, auf dem Höhepunkt der Proteste gegen die erste ÖVP-FPÖ-Koalition, publizierte Burger in der „Europäischen Rundschau“ einen Beitrag, in dem er gegen das „mumifizierende Gedenken“, das die Nazi-Zeit „zum Mythos verzaubert“, polemisierte – und erntete damit durchaus vehementen Widerspruch von Zeithistorikern.

„Die angewandte Kunst des Denkens“

Aus aktuellen Diskussionen hielt der Wiener sich in den vergangenen Jahren allerdings weitgehend heraus. Weil ihn die Tagespolitik „in meinem Alter nicht mehr wirklich interessiert“, sagte er der APA zu seinem 75. Geburtstag. Publikationsmüde wurde Burger freilich nie.

Ö1-Sendungshinweis

Zum Gedenken an Rudolf Burger: Salzburger Nachstudio 28. April 2021, 21 Uhr: „Sicher frei? Die Zukunft des Liberalismus“ Rudolf Burger vs. Anton Pelinka

Im September 2018 erschien im Molden Verlag mit „Wozu Geschichte? Eine Warnung zur rechten Zeit“ eine überarbeitete Neuauflage seines 2004 veröffentlichten Essays „Kleine Geschichte der Vergangenheit“. Der Sonderzahl Verlag legte unter dem Titel „Multikulturalismus, Migration und Flüchtlingskrise“ gesammelte Essays und Gespräche vor sowie außerdem „Die angewandte Kunst des Denkens“ mit Beiträgen „von, für und gegen Rudolf Burger“. Zu Wort kamen darin unter anderem Karl-Markus Gauß, Andreas Khol, Konrad Paul Liessmann, Alfred Noll, Franz Schuh und Marlene Streeruwitz.

Von der Physik zur Philosophie

Bemerkenswert ist schon der Werdegang Burgers: Er absolvierte ein Physikstudium an der Technischen Universität Wien und arbeitete anschließend als Assistent am Institut für angewandte Physik sowie am Ludwig-Boltzmann-Institut für Festkörperphysik und im Bereich der Forschungsplanung am Battelle-Institut in Frankfurt/Main. Ende der 60er Jahre war Burger im Planungsstab des deutschen Wissenschaftsministeriums in Bonn tätig.

Von 1973 bis 1990 leitete er die Abteilung für sozial- und geisteswissenschaftliche Forschung im Wissenschaftsministerium in Wien. 1979 habilitierte sich Burger für Wissenschaftssoziologie. 1987 kam er als Professor an die Hochschule für angewandte Kunst in Wien, wo er 1991 Vorstand der Lehrkanzel für Philosophie wurde. Von 1995 bis 1999 fungierte Burger als Rektor der „Angewandten“, seine Antrittsrede stellte er unter den Titel „Kultur ist keine Kunst“. Abgelöst wurde er vom noch immer amtierenden Gerald Bast. 2000 erhielt der Philosoph den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik. 2007 emeritierte Burger an der mittlerweile zur Universität gewordenen „Angewandten“. Die akademische Abschiedsfeier wurde mit einem Symposium zum Thema „Von der Unabhängigkeit des Denkens“ verbunden.