Laser im Labor: Rote Lichtstrahlen in der Dunkelheit
luchschenF – stock.adobe.com
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Quanteneffekt

Ein Gedankenexperiment wird real

Anno 1927 ersann der deutsche Physiker Werner Heisenberg einen Versuchsaufbau, der die seltsamen Gesetze der Quantenwelt erfahrbar macht. Wiener Forscherinnen und Forscher haben diese Vision nun im Labor verwirklicht.

Dem Experimentalphysiker Markus Aspelmeyer von der Uni Wien und seinem Team ist es bereits im Vorjahr gelungen, die Bewegung eines Glaskügelchens – etwa tausendmal kleiner als ein Sandkorn, aber immer noch aus einigen hundert Millionen Atomen bestehend – in den quantenmechanischen Grundzustand zu versetzen. Das Kügelchen wird im Hochvakuum von einem stark fokussierten Laserstrahl in Schwebe gehalten und gleichzeitig vom Laserlicht so weit abgekühlt, dass es sich wie ein Quantenteilchen verhält.

Aktuelles Titelblatt der Wissenschaftszeitschrift „Nature“
Nature
Das Experiment der Wiener Physiker ist diese Woche Coverstory von „Nature“

Heiß und kalt zugleich

Für das Objekt bedeutet das eine kuriose Situation: Seine Oberfläche ist durch den Laser auf 300 Grad Celsius aufgeheizt, doch seine Bewegungsenergie ist annähernd äquivalent zum absoluten Nullpunkt (minus 273 Grad Celsius) – und damit so reduziert, dass sie nicht mehr durch die Gesetze der klassischen Physik beschrieben werden kann. Aber seine Oberfläche ist dennoch heiß – so wie die Erde noch immer ihre Oberflächentemperatur hat, wenn man sie plötzlich auf ihrem Weg um die Sonne stoppen würde.

So ein schwebender, vergleichsweise großer Festkörper mit Quanteneigenschaften ist für Aspelmeyer eine „coole Toolbox“, an deren Verbesserung die Forscher seither arbeiten. Durch die Zusammenarbeit mit Andreas Kugi von der TU Wien ist den Wissenschaftlern nun ein weiterer „wichtiger Schritt“ gelungen, erklärte Aspelmeyer gegenüber der APA. Offensichtlich sieht das auch „Nature“ so, das der Studie die Titelseite widmet.

Heisenberg unter dem Mikroskop

„In der Regelungstechnik geht es darum, Systeme so zu beeinflussen, dass sie ein gewünschtes Verhalten aufweisen unabhängig von Störungen und Parameterschwankungen“, erklärte Kugi in einer Aussendung. Die Wissenschaftler hatten dabei aber mit einem Problem zu kämpfen, mit dem sie in der klassischen Regelungstechnik nicht konfrontiert sind. Denn üblicherweise hat die Messung keinen Einfluss auf das System. Bei Quantensystemen lässt sich dieser Einfluss aber grundsätzlich nicht verhindern. Sie mussten daher auch neuartige regelungstechnische Methoden entwickeln.

Im Labor der Experimentalphysiker: Arbeitstisch mit Linsen, Glasfaserkabeln und allerlei technischen Geräten
Lorenzo Magrini/Aspelmeyer Group/University of Vienna
Der Versuchsaufbau

Das gelang ihnen, indem sie das vom Glaskügelchen zurückgestreute Licht mit einer Mikroskopietechnik möglichst vollständig erfassten und damit seine aktuelle Position mit einer Präzision im Pikometer-Bereich (ein Pikometer ist ein Billionstel eines Meters) ermittelten. Mit dieser Information können die Forscher ein elektrisches Feld permanent so anpassen, dass es der Bewegung des Glaskügelchens entgegenwirkt und damit seine Bewegungsenergie bis zum kleinstmöglichen Zustand reduzieren. Wurde im ursprünglichen Experiment das Objekt nur mit Laserlicht gekühlt, wird in der aktuellen Arbeit dieses elektrische Feld als zusätzliche Kraft zur Kühlung des Kügelchens genutzt.

Unschärfe: Am Limit des Möglichen

Die Methode erreicht dabei beinahe das Limit, das von der „Heisenbergschen Unschärferelation“ vorgegeben wird – mehr Präzision lässt die Physik grundsätzlich nicht zu. Der Erstautor der Arbeit, der Physiker Lorenzo Magrini von der Uni Wien, erinnert in diesem Zusammenhang an ein Gedankenexperiment des deutschen Physikers Werner Heisenberg (1901-1976), das „Heisenberg-Mikroskop“: „Wenn man in einem Mikroskop die Position eines Objekts sehr genau messen möchte, muss man Licht mit möglichst kurzer Wellenlänge verwenden. Kurze Wellenlänge bedeutet aber höhere Energie, dadurch wird die Bewegung des Teilchens stärker gestört.“ Heisenberg folgerte daraus, dass man nicht gleichzeitig Aufenthaltsort und Bewegungszustand eines Teilchens exakt messen kann.

Durch die auf das Experiment abgestimmte Regelungstechnik konnten sich die Wissenschaftler an diese von der Natur vorgegebene Genauigkeits-Schwelle herantasten. Die Bewegungsenergie des Kügelchens entsprach im Experiment einer Temperatur von gerade einmal fünf millionstel Grad Celsius über dem absoluten Nullpunkt. Die beiden Forschungsgruppen wollen nun weiter zusammenarbeiten, um mit Know-how aus der Regelungstechnik noch präzisere Quantenexperimente zu ermöglichen.