Autostau in Kairo
AFP – KHALED DESOUKI
AFP – KHALED DESOUKI
Mobilität

Sammeltaxis könnten Verkehr drastisch reduzieren

Wenn Mobilität in Zukunft nachhaltig werden soll, wird das Auto eine geringere Rolle spielen müssen. Würden alle mit einer Art Sammeltaxi fahren, bräuchte es in der Stadt nur einen Bruchteil der derzeitigen Fahrzeuge, argumentiert die Mobilitätsforscherin Katja Schechtner.

Zu Fuß gehen, mit dem Auto fahren, den Elektro-Scooter nutzen, die Bim nehmen oder sich etwas per Drohne liefern lassen: Nachhaltige, urbane Mobilität sei immer eine Mobilitätsmix, sagt die Stadtplanerin und Mobilitätsforscherin Katja Schechtner, die am Senseable City Lab des Massachusetts Institute of Technology arbeitet. „Und ich muss diesen Mix immer auf die bestimmte Stadt, in der ich mich befinde, anpassen“, so Schechtner am Rande des Europäischen Forum Alpbach. Denn Topographie und Kultur seien von Stadt zu Stadt unterschiedlich und dementsprechend auch die jeweils bevorzugten Formen der Fortbewegung.

Grundsätze nachhaltiger Stadtmobilität

Dennoch gebe es ein paar Grundsätze, was nachhaltige, urbane Mobilität betrifft. Ein solcher Grundsatz laute „shared mobility“, geteilte Mobilität. Autos sollten nicht von Einzelnen, sondern gemeinsam genutzt werden. „Entweder indem sich mehrere Personen den gleichen Wagen teilen oder indem sie sich sozusagen in ein Taxi setzen und das zu dritt oder zu viert teilen.“ Zudem müssen neue Antriebe, im Individualverkehr Elektroantriebe, genutzt werden. Und irgendwann werde auch die automatisierte Mobilität eine Rolle spielen, ist die Mobilitätsforscherin überzeugt. „Weil sie die ‚shared mobility‘ noch besser ermöglicht, indem sie Autos sozusagen von selbst anhand von Routenplanungen und Prognosen in Zirkulation hält.“

Eine Stadt mit nur zehn Prozent der Autos „bewegen“

Im Rahmen einer Studie des International Transport Forum der OECD wurde beispielweise für die Stadt Lissabon berechnet, welchen Effekt es hätte, wenn der motorisierte Individualverkehr eingestellt und durch „shared mobility“ ersetzt werden würde, erzählt Schechtner, die auch für die OECD tätig war. Konkret wurde berechnet, wie viele Autos man benötigen würde, wenn alle individuellen Autofahrten durch ein Sammeltaxi-System ersetzt würden.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 25.8., 13:55 Uhr.

„Wir schaffen es mit diesem System alle Leute im Durchschnitt in einer halben Stunde zu ihrem gewünschten Ziel zu bringen und das mit nur einem Bruchteil der Fahrzeuge im Umlauf.“ Durch Sammeltaxis und einem gut ausgebauten öffentlichen Verkehrsnetz könnten in einer mittelgroßen europäischen Stadt neun von zehn Autos ohne Mobilitätseinbußen entfernt werden, so ein Ergebnis der Studie.

Die Folge der geteilten Nutzung: Es bräuchte keine Parkplätze mehr in der Stadt, sondern nur ein paar Parkhäuser, in denen diejenigen Autos geparkt werden, die gerade nicht unterwegs sind, sagt Schechtner. Je nach Tageszeit würden nämlich unterschiedlich viele Autos benötigt. So sei die Nachfrage während der Rushhours natürlich höher als etwa nachts. Dafür müssten Autos bereitgehalten werden. Berechnet wurde das anhand anonymisierter Mobilitätsdaten.

Das Auto hat weiterhin seinen Platz

Laut Umweltbundesamt verursacht ein Pkw mit Verbrennungsmotor pro Personenkilometer im Schnitt fast vier Mal so viel CO2 wie ein Linienbus und 17-mal so viel wie die Bahn. Angesichts dieser Zahlen wird klar, wie wichtig nachhaltige Mobilität für den Klimaschutz ist.

Das Auto müsse zwar nachhaltiger werden und gemeinsam genutzt werden, es werde aber auch zukünftig seinen Platz in der Stadt haben, so Schechtner. „Man muss auch manchmal mit Chemotherapie ins AKH. Oder man hat sich mal den Meniskus gerissen oder man ist einfach mal zu müde nach der Arbeit.“ Für diese Zwecke wird das Auto weiterhin das bevorzugte Verkehrsmittel innerhalb des Mobilitätsmix sein.

Einfache Nutzung, komplexe Steuerung

Die eine Maßnahme, wie man eine Stadt nachhaltig bewegt, gebe
Das Auto müsse zwar nachhaltiger werden und gemeinsam genutzt werden, es werde aber auch zukünftig seinen Platz in der Stadt haben, so Schechtner. es nicht, betont die Forscherin. Es brauche einen Maßnahmenmix. „Ich brauche ein Infrastrukturangebot. Ich brauche ein Serviceangebot. Ich muss den Leuten zeigen, wie’s geht. Und ich muss ihnen Lust drauf machen.“

Die Steuerung eines nachhaltigen Mobilitätsmix sei natürlich komplex und herausfordernd, räumt Schechtner ein. Die richtigen Angebote müssen zur richtigen Zeit am richtigen Ort verfügbar sein. Diese Komplexität sollte aber im Hintergrund bearbeitet werden. Die Nutzung für die Stadtbewohnerinnen und -bewohner muss so einfach wie möglich sein. Denn nur so können sie neue Routinen entwickeln und ihre Mobilität Schritt für Schritt verändern.

Anmerkung: In einer älteren Version dieses Artikels wurde die Forschung fälschlicherweise dem MIT zugeordnet.