Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme von mit CoV befallenen Zellen
NIAID
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Coronavirus

Immunsystem reagiert bei Omikron schwächer

Die Hinweise haben sich zuletzt verdichtet, nun zeigt auch eine Laboranalyse der Medizinuni Innsbruck, dass das Immunsystem die neue Virusvariante Omikron deutlich schlechter hemmt. Auch der Impfschutz geht innerhalb weniger Monate deutlich zurück.

Untersucht wurden neutralisierende Antikörper in Blutproben von Genesenen und doppelt Geimpften. Studienautorin Dorothee von Laer vom Innsbrucker Institut für Virologie rief im APA-Interview eindringlich zur Booster-Impfung auf.

Auch Genesene sollten sich unbedingt impfen lassen, um einer abermaligen Coronavirus-Infektion vorzubeugen. Erste Studien aus Südafrika deuten darauf hin, dass sich Genesene häufiger mit Omikron infizieren als das bei vorhergehenden Varianten des Coronavirus der Fall war. Dies hat Folgen für alle, die sich noch nicht impfen ließen, warnte Von Laer: „Je mehr Geimpfte das Virus symptomlos in sich tragen, desto gefährlicher ist die Situation für die Ungeimpften.“

Dritte Impfung schützt

„Jene, die genesen und zumindest einmal geimpft waren, zeigten in unseren Laborstudien die beste Immunantwort gegen die neue Omikron-Variante“, berichtete Von Laer. Doch der Impfschutz nehme mit der Zeit ab. Von Laer empfahl deshalb: „Doppelt Geimpften sollten sich eher früher als später den dritten Stich holen“.

Vorläufige Daten von Laboruntersuchungen am Universitätsklinikum Frankfurt würden diese These untermauern: „Die Virologin Sandra Ciesek und ihr Team konnten zeigen, dass der dritte Stich einen guten Schutz vor Omikron bietet“, wusste Von Laer. Diese Daten wurden noch nicht von Fachkollegen überprüft und am Mittwoch in einem Preprint-Paper publiziert, also einer noch nicht vollständig von der Fachgemeinde überprüften Studie. Auch Biontech/Pfizer habe ähnliche Erkenntnisse veröffentlicht.

Nicht auf angepassten Impfstoff warten

Die vorliegenden Ergebnisse würden nahelegen, dass die Entwicklung eines an Omikron angepassten Impfstoffs sinnvoll ist, unterstrich die Virologin. „Ziel wäre es, einen Impfstoff zu haben, der einen längeren Schutz bietet“. Dieser sei aber „noch nicht da“. Von Laer riet deshalb dringend davon ab, auf einen auf Omikron optimierten Impfstoff zu warten, sondern sich schnellstmöglich eine Auffrischungsimpfung verabreichen zu lassen.

In der nunmehr abgeschlossenen Laborstudie wurden lediglich neutralisierende Antikörper untersucht. Die Immunantwort setzt sich aber aus unterschiedlichen Faktoren zusammen, eine wesentliche Rolle spielen etwa die sogenannten „Killerzellen“ (T-Zellen). Sie schützen vor schweren Verläufen. Aktuell sei anzunehmen, dass sich die Omikron-Mutante deutlich schneller verbreite und infektiöser ist als vorhergehende Mutationen. Erste Studien deuten auf leichtere Verläufe hin. Dazu konnte die Innsbrucker Laborstudie noch keine Erkenntnisse liefern, weil klinische Studien noch anstehen.

Viele Fragen noch offen

In klinischen Folgestudien will das Innsbrucker Institut für Virologie andere Aspekte der Immunantwort beleuchten wie etwa die T-Zelle, kündigte Von Laer an. Zudem liege der Augenmerk nun darauf, zu verstehen „wie sich das Virus verhält und sich vermehrt“. Es sei noch fraglich, ob Omikron Delta verdrängen würde. Sollte dem so sein, wäre es umso wichtiger, eine hohe Durchimpfungsrate zu erreichen, wurde Von Laer nicht müde zu betonen.

Voraussichtlich im Laufe des Donnerstags soll ein Preprint-Paper mit den Studienergebnissen online veröffentlicht werden, ließ die Expertin wissen. Es gab noch keine Überprüfung durch Fachkollegen (Peer-Review). Eine Illustration auf Twitter, die Von Laers Mitarbeiterin, die Innsbrucker Virologin Janine Kimpel, am Donnerstagvormittag veröffentlichte, hatte innerhalb kürzester Zeit in Expertenkreisen weltweit Beachtung gefunden.

So bezeichnete etwa der in den USA tätige österreichische Virologe Florian Krammer die Untersuchung des Innsbrucker Teams auf Twitter als „exzellente Arbeit“. Die ersten Erkenntnisse aus Laboruntersuchungen zur Fähigkeit von Omikron, einen aufgebauten Schutz zu umgehen, stimmen den Wissenschafter von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York nachdenklich.

“Nicht auf klassische Impfstoffe warten“

Bezüglich des Impfschutzes betonte Krammer in einem vom deutschen Science Media Center (SMC) veranstalteten Pressegespräch einmal mehr, dass es sich nicht auszahle, auf inaktivierte Impfstoffe bzw. sogenannte Totimpfstoffe zu warten. Diese könnten „nicht unbedingt eine gute T-Zell-Antwort hervorrufen und nur niedrige neutralisierende Antikörpertiter induzieren“. Außerdem könne hier die Wirksamkeit der Immunantwort am stärksten abnehmen.

„Wir müssen uns also auf weitere Sicherheitsnetze unseres Immunsystems verlassen können“, so der Forscher. Habe man grundsätzlich weniger Antikörper und eine geringere T-Zell-Antwort aufgebaut, werde es umso leichter „für eine starke Escape-Variante wie Omikron sein, eine Krankheit auszulösen“. Man müsse sich eingestehen, dass nicht alle Impfstoffe gleichwertig seien, „wir sehen durchaus Unterschiede“, sagte Krammer.