Die „Mutantenjäger“ Luisa Cochella und Ullrich Elling mit einer Grafik, welche die prozentuale Verteilung verschiedener Corona-Mutationen zeigt, in einem Labor der „IMBA“ am BioCenter in Wien
APA/ROLAND SCHLAGER
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Weltweite Koalition zur Covid-19-Forschung

Die Pandemie macht nicht an Landesgrenzen halt. Um sie nachhaltig zu stoppen, müsste man endlich besser zusammenarbeiten. Einige Forscherinnen und Forscher, Ärzte und Ärztinnen, Geldgeber und Institutionen tun das bereits und bilden eine Forschungskoalition.

Die „Covid-19 Clinical Research Coalition“ gibt es schon seit April 2020, also seit Beginn der Pandemie. Ziel ist es, die dringend notwendige Covid-19-Forschung in den ärmeren Regionen der Welt zu beschleunigen, sich gegenseitig mit Informationen zu versorgen und Forschungsergebnisse zu teilen.

Menschen und Institutionen aus über 80 Ländern

In der Koalition sind Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, Ärzte und Ärztinnen, Geldgeber und Institutionen aus über 80 Ländern. Mit dabei ist zum Beispiel das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung, aber auch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Weltgesundheitsorganisation WHO, verschiedene NGOs oder auch das Gesundheitsministerium von Kenia.

Die Mehrheit der Mitglieder kommt aus Ländern mit geringem oder mittleren Einkommen. Hier tun sich mitunter andere Schwerpunkte und Probleme auf als in den reichen europäischen Ländern.

Lokale Probleme werden global

In Afrika, Lateinamerika und in bestimmten osteuropäischen und asiatischen Ländern kann sich das Virus auf geschwächte Gesundheitssysteme verheerend auswirken, wie zuletzt in Südafrika zu beobachten war, wo sich die neue Omikron-Variante wahrscheinlich in den Körpern immungeschwächter HIV-infizierter Menschen besonders gut entwickeln konnte.

Zugleich leben Menschen in ärmeren Ländern öfter in großer Personenzahl auf engem Raum, ihre Arbeit ist oft nicht online zu erledigen, weil sie beispielsweise draußen oder auch im informellen Sektor stattfindet.

Impfung in Südafrika
AFP/EMMANUEL CROSET
Impfung in Südafrika

Die Krankenhäuser sind dort viel schneller überlastet und Fragen nach medikamentöser Behandlung zu Hause sind deshalb noch dringender als in den reichen Ländern.

Doch es fehlt an Personal, Infrastruktur und Geld, um entsprechende Forschungen auf die Beine zu stellen. Hier setzt die Koalition an – Wissenschaftler aus reicheren Ländern teilen Forschungsergebnisse und Erfahrungen und lernen zugleich die Situation in ärmeren Ländern besser kennen und können so auf neue Entwicklungen schneller reagieren und auch aus den Erfahrungen an anderen Orten lernen.

Forschung und Austausch in Arbeitsgruppen

So sollten mehr klinische Covid-19-Studien auch in Ländern mit Ressourcenknappheit durchgeführt werden. Das Know-how und auch Daten dafür könnten von Wissenschaftlern aus den reicheren Ländern kommen, wo bereits mehr Studien durchgeführt wurden.

Zugleich soll Wissen gebündelt und übersichtlich gemacht werden, so dass es international schneller ausgetauscht werden kann. Das soll Regierungen und auch der WHO helfen, schnelle evidenzbasierte Entscheidungen zu weiteren Strategien und Vorgehensweise zu treffen.

In Arbeitsgruppen setzt man verschiedene Schwerpunkte – von klinischer Epidemiologie bis zu Soziologie. Der Philosoph Caesar Atuire, Experte für Gesundheitsethik von der Universität Ghana, ist eines von über 800 Mitgliedern der „Covid-19 Clinical Research Coalition“. In der Arbeitsgruppe Ethik setzt er sich dafür ein, dass CoV-Maßnahmen nicht nur nach medizinischen Gesichtspunkten durchgesetzt werden.

Beispiel Ghana

Viele afrikanische Länder hätten etwa die Lockdown-Modelle aus Europa kopiert. Doch in Ghana teilen sich oft zwanzig Menschen eine Küche, ohne Elektrizität oder die Möglichkeit, Vorräte zu beschaffen, erklärt er.

Schule in Ghana
AFP/NIPAH DENNIS
Schule in Ghana

Ein anderes Beispiel seien die Kinderimpfungen. Der Impfstoff wurde zuvor an Kindern erprobt. Die Arbeitsgruppe Ethik hat hier Leitlinien und Empfehlungen verfasst. Denn in ärmeren Ländern kann es leichter passieren, dass Kinder von westlichen Konzernen für medizinische Tests ausgebeutet werden – und von den Impfungen als letzte profitieren.

In Ghana sei die Sterberate durch Covid-19 nicht sehr hoch, weil die Bevölkerung jung ist, aber die sozialen Auswirkungen der Pandemie seien fatal. Wenn die Schulen schließen, können die Kinder nicht wie in Europa einfach online unterrichtet werden, es fehle schlicht am Strom. Die meisten Familien besitzen keine Internetverbindung, und die Eltern seien als Nachhilfelehrerinnen nicht einsetzbar, oft seien sie selbst Analphabeten, so Atuire.

Politischer Wille fehlt

Ende November wurde eine weitere Arbeitsgruppe geschaffen, hier sucht man noch Experten. Es soll erforscht werden, ob und wie manche bereits erhältlichen Medikamente die Sterblichkeit bei Covid-19 verringern könnten und damit zumindest die Intensivstationen in den ärmeren Ländern entlasten könnten.

Die „Covid-19 Clinical Research Coalition“ möchte auch eine gerechtere und vor allem leistbare medizinische Versorgung und globale Durchimpfung schaffen – letzteres ist bislang noch nicht gelungen. Ceasar Atuire macht dafür maßgeblich die Politik verantwortlich. Dass viele europäische und andere Länder auf die Nachricht einer neuen Variante aus Südafrika mit Abschottung reagiert haben, empört ihn und es habe zu Spannungen geführt, die er auch in Ghana mitbekommt.

Die Welt habe profitiert von dem herausragenden Sequenzierungsmöglichkeiten, die es in Südafrika aufgrund der hohen HIV-Rate schon lange gibt. Das ermöglichte es, die Omikron-Variante so früh zu identifizieren. Das Land teilte sein Wissen – mit dem Ergebnis, dass sich die anderen Länder abschotteten. Eine Dynamik, die sich dringen ändern müsse, damit in Zukunft die gemeinsame Bekämpfung des Virus auch wirklich erfolgreich sein kann, meint Caesar Atuire.