Wernadski-Station, Antarktis, Ukraine, Polarforscher
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Polarforscher verfolgen Krieg aus der Ferne

Sie verbringen ihre Tage in klirrender Kälte damit zu messen und zu analysieren: Auf der Wernadski-Antarktisbasis arbeiten mehrere ukrainische Forscherinnen und Forscher, die den Krieg in ihrer Heimat aus der Ferne verfolgen.

„Am Anfang haben wir tagelang nicht geschlafen. Die ganze Zeit über haben wir die Nachrichten über unsere Heimatstädte verfolgt“, sagt Meteorologin Anastasija Tschyharewa. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gingen dazu über, um 02.00 Uhr morgens – in der Ukraine um 07.00 Uhr – aufzustehen, um bei ihren Familien nachzufragen, wie deren Nacht verlaufen war. „Wir haben uns daran gewöhnt, morgens und vor dem Schlafengehen in jeder freien Minute die Nachrichten zu checken“, so Tschyharewa.

Die Wernadski-Station ist eine ukrainische Forschungsstation in der Antarktis. Sie befindet sich auf der Insel Galindez, etwa 1.200 Kilometer von Feuerland entfernt im äußersten Süden Argentiniens. Die Basis ist das ganze Jahr über von einem Dutzend Menschen bewohnt. Im Winter herrschen Temperaturen von bis zu minus 20 Grad. Benannt ist die Station nach dem Geologen Wladimir Iwanowitsch Wernadski.

Onlinevorträge für ukrainische Kinder

„Mein erster Eindruck war, dass sich all diese Dinge in einem anderen Universum abspielen, nicht in unserer Welt“, sagt der Geophysiker Oleksander Koslokow, dessen Familie in Charkiw lebt, über den Krieg. „Meine Frau hörte und spürte die Explosionen der Marschflugkörper zehn Minuten nachdem Putin diesen dummen und verbrecherischen Krieg begonnen hatte.“ Inzwischen ist seine Familie nach Deutschland geflohen.

In der Basis, die nach einem sowjetischen Mineralogen und Geochemiker mit russischen und ukrainischen Wurzeln benannt ist, versuchen die Forscherinnen und Forscher trotz allem, ein möglichst normales Leben zu führen. Mit Spenden an die Armee, Petitionen und Online-Vorträgen, um die Aufmerksamkeit der ukrainischen Kinder vom Krieg abzulenken, helfen die Forscher aus der Ferne. „Das ist unser Teil des Krieges“, so Tschyharewa.

„Meine Universität in Charkiw wurde zerstört“

Das Team wird in diesem Monat abgelöst – an eine Rückkehr in die Heimat ist jedoch nicht zu denken. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler blicken in eine ungewisse Zukunft. „Ich habe keine wirklichen Pläne“, sagt Tschycharewa. „Meine Universität in Charkiw, an der ich studiert habe, wurde zerstört, mein Forschungsinstitut und die wissenschaftliche Ausrüstung in der Ukraine sind zerstört“, sagt Geophysiker Koslokow. Wahrscheinlich werde er versuchen, seine wissenschaftliche Arbeit in Europa oder Amerika fortzusetzen.