Lobau, Dürre, Wien
Kurt Kracher
Kurt Kracher
Austrocknung

Lobau könnte zu Parklandschaft werden

Die Auenlandschaft der Wiener Lobau könnte sich mehr und mehr in eine gewöhnliche Parklandschaft verwandeln – denn das Naturschutzgebiet leidet unter akutem Wassermangel, wie Experten diese Woche bei einem Symposium in Wien warnen. Lösungen liegen auf dem Tisch, warten aber auf ihre Umsetzung.

Die Lobau ist eines der weltweit wenigen Nationalparkgebiete innerhalb einer Millionenstadt. Rund 22 Quadratkilometer umfasst die großteils innerhalb Wiens gelegene Auenlandschaft nördlich der Donau. Das Naturschutzgebiet ist Rückzugsgebiet für viele – teils vom Aussterben bedrohte – Tier- und Pflanzenarten. Und auch als Naherholungsgebiet der Wienerinnen und Wiener ist die Lobau beliebt, wovon schon vor fast 100 Jahren Wienerlieder wie „Drunt in der Lobau“ zeugten.

Gefährdet ist die Lobau samt ihrer ausgeprägten Artenvielfalt durch verschiedene Einflüsse: von der Erderwärmung bis zur zunehmenden Urbanisierung der unmittelbaren Nachbarschaft. Politisch und medial ist das Naturschutzgebiet spätestens seit vergangenem Sommer Thema, als Klimaaktivistinnen und -aktivisten ein „Camp für die Lobau“ errichteten, um gegen den – mittlerweile auf Eis gelegten – umstrittenen Lobau-Tunnel und die geplante 3,2 Kilometer lange Stadtstraße am Rande der Lobau zu protestieren.

Die größte Bedrohung aber ist der Wassermangel in der Au. Dieser wurde zwar nicht durch die Erderwärmung ausgelöst, durch den damit einhergehenden geringen Niederschlag aber verschärft.

Gewässerfläche wird seit Jahrzehnten weniger

Im Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien beschäftigt sich diese Woche ein Symposium aus wissenschaftlicher Sicht mit dem Naturschutzgebiet Lobau. „Lobau soll leben“ lautet der Titel der Veranstaltung – in Anlehnung an das vor 50 Jahren aus einer ähnlichen Motivation entstandene Symposium „Lobau soll sterben“, das 1973 im Auditorium Maximum der Universität Wien stattfand. Schon damals sagte Bernd Lötsch, der spätere Direktor des NHM, in einem Vortrag: „Man lässt uns Wissenschaftler in Ausschüssen reden, aber ob wir gehört werden, das bestimmt die Tagespolitik.“

„Lobau soll leben"

Das Symposium „Lobau soll leben: Wasser für die Au – Erkenntnisse und Perspektiven der Wissenschaft“ findet am 27. und 28. April im Naturhistorischen Museum statt.

Bildervergleiche und andere Untersuchungen zeigen, dass die Gewässerfläche in der Lobau seit den 1930er Jahren bereits um rund die Hälfte zurückgegangen ist. Vor allem kleinere, stark strukturierte Seitenarme verlanden zunehmend und gehen dadurch als Lebensraum für Wasserorganismen verloren.

Die Au wächst nach oben

Dass der Lobau das Wasser ausgeht, liege hauptsächlich an den Regulierungsmaßnahmen, die Ende des 19. Jahrhunderts gesetzt wurden und durch die sich das ökologische Gewässersystem verschoben habe, erklärt Thomas Hein vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien im Gespräch mit science.ORF.at: „Dadurch wurde die Au von der Donau entkoppelt. Ohne die frei fließende Interaktion zwischen Fluss und Auenwald finden Auflandungen in der Au statt.“

Lobau, Dürre, Wien
Kurt Kracher
Ausgetrocknete Flächen wie diese sind beim Spaziergang in der Lobau kein seltener Anblick

Die Au wächst also durch die Ablagerung von pflanzlicher Biomasse und von Sedimenten nach oben. Dass dadurch Gewässerfläche verloren gehe, sei laut Hein alarmierend genug, besonders problematisch sei aber, dass dadurch die Vielfalt der Gewässertypen in der Lobau schwinde, denn kleine, stark strukturierte Seitenarme verlanden viel schneller als tiefere Gewässer und gehen als seichte Wasserflächen verloren.

Bedrohungsstand „bereits sehr hoch“

Die Artenvielfalt hänge aber an der Gewässervielfalt, so der Ökologe: „Wenn die Vielfalt der Gewässertypen verloren geht, gehen auch mögliche ökologische Nischen für Arten verloren.“ Der Bedrohungsstand sei für viele Arten bereits sehr hoch: „Für Amphibienarten schränken sich die Lebensbereiche bereits ein, denn diese sind auf Kleingewässer angewiesen. Und auch bei Wasserpflanzen finden sich bereits zunehmend Verluste in der Artenvielfalt.“ Der geringe Niederschlag verschärfe das Problem noch.

Die Lobau ist Teil des Nationalparks Donau-Auen mit seiner besonders stark ausgeprägten Artenvielfalt: Über 800 Pflanzenarten, 33 Säugetier- und rund 100 Brutvogelarten, acht Reptilien- und 13 Amphibienarten, 67 Fischarten und 2.480 nachgewiesene Insektenarten haben hier ihren Lebensraum.

Ausreichend Wasser „nur einen Steinwurf entfernt“

Retten könne man die Auenlandschaft mit der Zufuhr von Wasser, etwa aus der Donau, sagt Hein. Anhand von Modellen untersuchte er mit seinem Team, was eine Wasserzufuhr bringen könnte – mit dem Ergebnis: Schon geringe Mengen würden der Lobau helfen. Wegen des Risikos einer Verunreinigung des als Trinkwasser verwendeten Grundwassers wurde diese Möglichkeit von der Gemeinde Wien bisher aber nicht weiterverfolgt.

Schwan, Panozzalacke, Lobau, Wien
APA/GEORG HOCHMUTH
Ein Schwan am Rande der Panozzalacke, einem Altarm der Donau, in der Lobau

Der vom Austrocknen bedrohten Lobau Wasser aus der Donau zuzuführen sei naheliegend, sagt Hein: „Wir haben einen großen Fluss einen Steinwurf entfernt.“ Natürlich müsse der Aspekt der Hygiene, gerade wenn es um Trinkwasser geht, besonders berücksichtigt werden. Daher sei dieser in einem Forschungsprojekt mit Beteiligung der Technischen Universität (TU) Wien und der MedUni Wien untersucht worden.

„Der gordische Knoten wird nicht kleiner“

Das Restrisiko für jeden einzelnen der fünf Trinkwasserbrunnen, die entlang der Lobau situiert sind, konnte durch die bisherigen Forschungsprojekte, die in Kooperation mit der Gemeinde Wien durchgeführt wurden, allerdings nicht eindeutig geklärt werden. Die aktuelle Pattstellung – Restrisiko für das Trinkwasser vs. Austrocknung der Lobau – sieht Hein als lösbar: „Man muss sich im Feldversuch anschauen, wie groß das Risiko ist, und ob es Sicherungsmaßnahmen für das Trinkwasser braucht.“ Im Moment passiere aber großteils gar nichts.

Lobau, Wien, Au
Kurt Kracher
Eine Million Menschen besuchen jährlich die Lobau

Sollte es ein Risiko für die Trinkwasserbrunnen geben, könne man kompensierende Maßnahmen setzen, etwa eine Reinigung des Trinkwassers, bevor es das Leitungsnetz erreicht. Er verstehe zwar, dass man das Wasser aus der Lobau nicht erst aufbereiten möchte, so Hein, aber: „Der gordische Knoten wird nicht kleiner, je länger wir darüber diskutieren.“ Es dürfe nicht um ein Entweder-oder gehen, sondern darum, das Problem zu lösen, ohne eines der beiden Ziele zu vernachlässigen.

Point of no Return „noch nicht erreicht“

Aus ökologischer Sicht sei die Sachlage eindeutig: Wenn wir der Lobau kein Wasser zuführen, wird sie sich in Zukunft mehr und mehr zu einer Parklandschaft mit einem einzelnen Hauptgewässerzug entwickeln. „Es wird eine Landschaft, die aussieht wie andere Landschaften in der Stadt Wien“, so Hein. Als Erholungsraum werde die Lobau dennoch nutzbar bleiben: „Der Grünraum bleibt ja, solange er nicht verbaut wird.“

Mit der Auenlandschaft verliere Wien aber „ein sehr attraktives Augebiet in einem urbanen Kontext“. Die Stadt verliere an Vielfalt und die Lobau Tier- und Pflanzenarten, die sonst nirgends mehr vorkommen. Der Point of no Return sei für die Lobau als Auenlandschaft noch nicht erreicht – „aber wir lassen weitere Jahre verstreichen, in denen wir uns diesem Punkt nähern“. Es sei ähnlich wie beim Klimawandel, so der Ökologe: „Je länger wir nur zusehen und abwarten, umso massiver werden die notwendigen Maßnahmen.“